Kofferradio, Plattenspieler und Musiktruhe – die 50er Jahre und das Musikhören

Teenager, die im Schwimmbad vor kastenförmigen Kofferradios und Schallplattenspielern mit Deckel sitzen – das ist ein typisches 50er-Jahre-Motiv. Tatsächlich veränderte sich im Rock’n’Roll-Jahrzehnt die Art, Musik zu hören. Vom ortsunabhängigen Streaming-Genuss war man allerdings noch meilenweit entfernt.

Die Musiktruhe der 50er Jahre- Mamas und Papas Schlagerburg

Rock’n’Roll hin oder her, über weite Strecken beherrschte in den 50er Jahren der deutsche Schlager den Musikkonsum in Deutschland. Das galt auch für junge Menschen. Allerdings wurde der Musikgeschmack mit höherem Alter in der Regel immer konservativer. So mussten sich unzählige Jugendliche damit abfinden, dass ihre Eltern bereits Peter Kraus als “barbarischen Krach” empfanden und sich den Abend mit den Caprifischern, lustigen Försterliedern oder Militärmärschen und Operetten versüßten. Der Ort des Verbrechens: die Musiktruhe.

Musiktruhe der 50er-Jahre

Die Musiktruhe “Arabella” von 1957.

Dieses edle Stück war in der Regel genauso massiv, wie sich sein Name anhört. Schließlich vereinte es Radiogerät und Schallplattenspieler in einem – mindestens. Später und bei exklusiven Exemplaren kamen teilweise noch Fernseher, Tonbandgerät und manchmal sogar eine Bar dazu.

Namen wie “Kuba Dominante” oder “Löwe-Opta Sonatime” machen deutlich, dass es sich bei einer Musiktruhe der 50er-Jahre um ein Statussymbol handelte. Teenager konnten sich ein solches Ungetüm in der Regel nicht leisten und hatten auch gar keinen Platz dafür. Andererseits war es meist undenkbar, dass Sohn oder Tochter Papas heißgeliebte Truhe mit einer Elvis-Platte entweihten. Schön waren Musiktruhen der 50er nach heutigen Maßstäben kaum.

Kofferradios mit Henkel – Musik unterwegs

Einen Ausweg aus dem Musiktruhendilemma boten transportable Geräte. Dazu gehörten Kofferradios. Zwar taten deutsche Rundfunksender in den 50er-Jahren alles, um den Musikgeschmack junger Hörer zu ignorieren. Aber je nach Standort bestand die Möglichkeit, Radio Luxemburg oder AFN, den Sender der amerikanischen Besatzungstruppen, zu empfangen und sich so eine Portion Jazz und später Rock’n’Roll zu gönnen.

Dabei war das mit der Tragbarkeit von Kofferradios so eine Sache. Anfangs besaßen diese noch Röhren beziehungsweise eine Mischung aus Röhren und Transistoren. Beides machte sie nicht unbedingt zu Leichtgewichten. Der “Boy” von Grundig wog 1950 immerhin stattliche 3,3 Kilogramm.

Kofferradio Libelle

Reine Transistorgeräte kamen erst Ende der 50er Jahre auf den Deutschen Markt, mit einer deutlichen Verspätung gegenüber den USA.

Die waren meist das Vorbild, was das Design der transportablen Geräte betrag. Das belegen Namen wie eben “Boy” oder “Metz Baby” von der Firma Metz. Getragen wurden Kofferradios mit einem Henkel und für das Zurücklegen weiter Strecken waren sie eher ungeeignet. Zumindest jedoch musste man jetzt nicht mehr wie bei den ersten Geräten ihrer Art einen externen Lautsprecher anschließen.

Bei Jugendlichen, die genug Geld für solche Anschaffungen in der Tasche hatten, waren Kofferradios besonders beliebt, wenn sie neben dem Radio ein zweites Gerät beherbergten – einen Plattenspieler.

 

Tragbare Plattenspieler für “Halbstarke” und Teenager

Die 50er- und 60er-Jahre waren die Jahrzehnte der Schallplatte. Dabei setzte sich auch in diesem Bereich bei jungen Menschen die tragbare Variante der Plattenspieler durch. Die konnte man nicht nur zu Hause in verschiedenen Räumen nutzen, sondern auch zu Treffen mit Freunden mitnehmen. So war man in der Musikauswahl unabhängig von dem Geschmacksdiktat der eigenen Eltern – vorausgesetzt, man konnte sich Plattenspieler und Platten leisten.

Kofferplattenspieler

Tragbarer Plattenspieler von etwa 1960.

Wie Kofferradios wurden auch Kofferplattenspieler über einen Henkel transportiert. Zum Spielen klappte man den Deckel auf. Meist war es dann noch notwendig, den Plattenspieler an ein Radio anzuschließen, damit die Musik hörbar wurde. Allerdings gab es auch schon komfortablere Geräte mit integriertem Verstärker und Boxen.

Tragbare Plattenspieler richteten sich in erster Linie an junge Menschen, und noch mehr an junge Frauen als an Männer. Deshalb setzte die Industrie auf ein hippes amerikanisches Design und kleine Preise. Dass aus den Boxen dann ein eher kümmerlicher Monosound kam, spielte dagegen eine untergeordnete Rolle

Die meisten mussten ohne auskommen

Beim Betrachten alter Fotos wirkt es schnell so, als seien die 50er-Jahre eine frühe Hochzeit stylisher Abspielgeräte gewesen. Für Halbstarke und Rock’n’Roll-Fans, die die Nase voll von Freddy Quinn hatten, sah die Realität allerdings nicht ganz so rosig aus. Schließlich kosteten Radio, Schallplattenspieler und Co. Geld, ganz zu schweigen von einer Musiktruhe der 50er-Jahre.

Dabei wurden viele der heißbegehrten Abspielgeräte erst zum Ende des Jahrzehnts hin bezahlbar, dann zum Beispiel als Neckermann-Modell für etwas mehr als 70 Euro – ein echtes Schnäppchen. 1957 gab es nur in 18 Prozent der Haushalte in der Bundesrepublik überhaupt einen Plattenspieler.

 

Musiktruhe auf der Leipziger Messe

Für die meisten blieb der eigene Plattenspieler vorerst ein Traum.

Damit blieb für viele junge Menschen nur, mitzuhören – wenn schon nicht bei den Eltern, dann bei Freunden, die ein Kofferradio oder einen Plattenspieler besaßen oder in Lokalen mit Jukebox.

Besonders beliebt bei Rock’n’Roll-Fans waren übrigens Jahrmärkte. Denn Kirmesbetreiber unterlegten das Karussellfahren bevorzugt mit Bill Haley, Gene Vincent und Co. – ein Marketingtrick, der sich zumindest bei Tollenträgern auszahlte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fotos:

1957 Musiktruhe Arabella von Alf van Beem / CC0 1.0

Kofferradio Libelle von Andreas Praefcke / CC BY 3.0 

Plattenspieler dual-1010V von Hannes Grobe / CC BY 3.0

Besucher der Leipziger Herbstmesse 1954 betrachten eine Musikanlage mit Radio und Schallplattenspieler  von Deutsche Fotothek /CC BY-SA 3.0 DE

Titelfoto: The Sound of Vinyl von Tobias Begemann / CC BY 2.0