Eine reichlich kuriose Alternative zur allseits bekannten Jukebox war das 1939 von Ken Shyvers eingeführte Multiphone. Die Musikboxen jener Zeit boten vielfach nur 24 Wahlmöglichkeiten bezüglich der gegen Münzeinwurf abgespielten Titel. Mit dem Multiphone hingegen, konnte die sensationelle Anzahl von 170 Stücken abgerufen werden!
Heißer Draht zu den neuesten Hits
Abrufen konnte man die Musik im wahrsten Sinne des Wortes. Die im Art-Deco-Design gehaltene kleine Säule ist eine Art Telefon. Zu finden war das Multiphone auf Tischen und Theken in der Gastronomie des US-Bundesstaates Washington – vorrangig in Olympia, Seattle und Tacoma. Nach dem Münzeinwurf wurde über das Telefonnetz eine Verbindung zu einem zentralen Musikarchiv in Downtown Seattle hergestellt. Von dort aus erfüllten – warum auch immer – ausschließlich weibliche DJs die durchgegebenen Musikwünsche. Unter Zuhilfenahme einer zweiten Telefonleitung kam der Sound der von Hand aufgelegten Scheiben aus dem in den Sockel des Multiphones integrierten Lautsprecher. Welche Titel gewählt werden konnten, zeigen einer konventionellen Musikbox ähnelnde Listen.
Vom Empire State Building inspiriertes Design
Ken Shyvers, ein aus der Spielautomatenindustrie stammender Tüftler, hatte das Multiphone zusammen mit seiner Frau Lois entwickelt. Die Architektur des Empire State Buildings diente als Inspiration für die ansprechende Optik des Geräts. Gänzlich neu war die Idee, Musik gegen Münzeinwurf über das Telefonnetz zu übertragen, nicht. Der Grundstein wurde bereits 1881 in Paris gelegt. Dort gab es in einigen Hotels, Cafés und Clubs das Theatrophone mit dem 48 Zuhörer gleichzeitig der Opera de Paris lauschen konnten. Weiterhin ebnete das 1895 in England an ausgewählten Locations aufgestellte Electrophone den Weg für telefongestützte Entertainment-Systeme.
1959 schlug die letzte Stunde für das Multiphone
1935 brachte Ken Shyvers mit dem Musicphone ein bereits mit dem Gerät von 1939 vergleichbares Teil an den Start. Welches jedoch weitaus weniger attraktiv designt war. Der Durchbruch sollte erst mit dem Multiphone gelingen. Von dem zeitweise rund 8000 Exemplare aufgestellt waren. Erst die zunehmende Verbreitung der nicht mit 78-RPM-Schellack-Platten, sondern mit 45-RPM-Vinyl-Scheiben betriebenen Musikboxen der 50er-Jahre, bereitete dem Multiphone das Ende. Die Jukeboxes der neuen Generation boten 100 und vielfach auch mehr Wahlmöglichkeiten. Die Innovation von Ken und Lois Shyvers war überflüssig geworden. Weshalb 1959 die letzte Stunde für das Multiphone schlug.
Der Sound alter Musikboxen kann, insofern sie noch funktionieren, bis heute genossen werden. Das Multiphone hingegen ist, nachdem die Damen aus dem Archiv von Seattle keine Platten mehr auflegen, zu einem stummen Deko-Objekt geworden. Dennoch zahlen Liebhaber außergewöhnlicher Antiquitäten vielfach einen hohen Preise für ein gut erhaltenes Multiphone.