Als Gene Vincent und Eddie Cochran am 16. April zusammen mit Tourmanager Pat Tomkins und Eddies Freundin Sharon Sheeley in ein Taxi nach London stiegen, hatten sie ihre gemeinsame Englandtour hinter sich und freuten sich darauf, dem britischen Wetter zu entfliehen. Eddie Cochran freute sich leider vergebens. Für ihn sollte diese Taxifahrt seine letzte sein.
Als der Fahrer in einer Kurve die Kontrolle über das Auto verlor und dieses rückwärts gegen einen Laternenpfahl prallte, wurde der Sänger von “Summertime Blues” und “C´mon Everybody” aus dem Taxi geschleudert. Wenig später erlag er seinen Kopfverletzungen. Für Gene Vincent ging die Sache glimpflicher aus, obwohl sich die Schmerzen in seinem schon geschädigten Bein im Anschluss verschlimmerten. Lange sollte aber auch seine Karriere nicht mehr dauern.
Gene Vincent und England
England war zu Beginn der 60er-Jahre zu dem Ort geworden, an dem Gene Vincent am meisten Ansehen genoss. Vor allem konnte er auf eine treue Anhängerschaft junger Rock´n´Roll- und Rockabilly-begeisterter Briten bauen, ebenso wie auf die Treue von Columbia Records. Entsprechend tourte und produzierte der Sänger unermüdlich jenseits des Atlantics. Doch Charterfolge konnte Vincent auch auf der Insel kaum noch verbuchen und das obwohl er zu Beginn des Jahrzehnts noch die eine oder andere kraftvolle Single veröffentlichte.
Unter anderem tourte der Rockabilly Sänger gemeinsam mit der englischen Band “Sounds Incorporated”, die als Instrumentalcombo bis in die Swinging Sixties hinein ein hohes Ansehen in England genoss. Ihre gemeinsame Aufnahme “Im Going Home Baby” sollte immerhin Platz 36 der Charts erreichen.
Das war natürlich weit entfernt von den Erfolgen, die sich Vincent und sein Management erhofften. Leider besaß Vincent außerdem die Angewohnheit, gelungenen Singles gerne einmal eher misslungene Kompositionen hinterherzusetzen. Das schon beinahe groteske “Humpity Dumpidity” ist ein Paradebeispiel dafür.
Immerhin, noch strömten junge britische Teddy Boys zu Vincents Auftritten und versuchten sich die vielen britischen Nachwuchsmusikern an Songs wie “Be Bop a Lula”. Doch eben diese britischen Nachwuchsmusiker sollten es sein, die letztendlich für den endgültigen Abstieg von Gene Vincent verantwortlich waren.
Die letzten Jahre des Rockabilly-Stars
Mit den Beatles und den nachfolgenden britischen Beatbands fand eine musikalische Revolution statt, die leider für manch einen Rockabilly- und Rock´n´Roll-Sänger zum Sargnagel wurde – hatte dieser nicht genug Kondition, um auf bessere Zeiten zu warten. Die Kondition von Gene Vincent jedoch nahm in den 60er Jahren zunehmend ab. Das unermüdliche Touren, die Schmerzen in seinem Bein und zu viel Alkohol setzten dem Sänger ebenso zu wie der ausbleibende Erfolg.
Zur Ruhe setzen konnte sich Vincent dennoch nicht, obwohl er sich Mitte der 60er-Jahre eine Auszeit von 18 Jahren nahm. Doch nun war für Vincent auch in England nicht mehr viel zu holen. Einen Eindruck davon, wie der einstige Star am Ende seiner Karriere auf kleinen Bühnen vor einer Handvoll treuer Fans mit seiner Stimme und seinem Übergewicht kämpfte, gibt die Dokumentation “The Rock and Roll Singer”, die den Sänger auf einer Tour in England Ende des Jahrzehnts begleitete.
Ein trauriger Tod am Tiefstpunkt der Karriere
In einem Interview, das kurz vor seinem Tod stattfand, zeigte sich Vincent vor allem als deprimierter Ex-Star, der sich betrogen von Geschäftsleuten, seinen Exfrauen und seinem eigenen jugendlichen Leichtsinn fühlte. Auf der anderen Seite war er überzeugt, dass auch die Musik, die zu diesem Zeitpunkt die Jugend von den Stühlen riss, im Grunde genommen nichts anderes war als Rock´n´Roll – mit dem ein oder anderen Moll-Akkord.
Das Rockabilly-Revival der 70er Jahre sollte Vincent leider nicht mehr erleben. Am 12. Oktober 1971 starb der Sänger an einem durchgebrochenen Magengeschwür. Kurz davor hatte ihn seine vierte Ehefrau verlassen.