Seit 1983 ist Scotty Bullock unterwegs im Namen des Rawk’n’Roll. Und das nicht nur in Deutschland, auch die Rockabillies in 14 US-Staaten durften ihn schon live erleben. 1999 brachten Scotty Bullock & The Stampeders das Album “Dusty Roads…” raus. Mit den Sunny Bottom Boys wurde er 2012 mehrfach mit Auszeichnungen dekoriert und nun hat er mit Pro- und Kontrabassist Felix Wenz aus Aschaffenburg und Drummer Harry Weber aus Passau die für ihn perfekten Bandmates für das Scotty Bullock Trio gefunden.
(1) Wenn du an deine Jugend zurückdenkst, welcher Song kommt dir dabei sofort in den Sinn?
Ich gehe sogar noch etwas weiter zurück…
Wir schreiben das Jahr 1979 und es war gerade mal ein paar Jahre her, dass Deutschland zum zweiten Mal Fußballweltmeister wurde. Ich ging in die 2. Klasse einer alten Dorfschule (gebaut 1914!) und war mit meinem gleichaltrigen Cousin per Drahtesel unterwegs zur nächstgrößeren Ortschaft. Ein Rasthaus, in dem auch Fernfahrer übernachteten, war unser Ziel. In der Hosentasche hatte ich ein 50 Pfennig-Stück, was für mich zu der Zeit echt nicht wenig war.
Wir parkten unsere Bonanza-Räder vor dem Gebäude und rannten in’s Untergeschoss, wo eine Kegelbahn mitsamt Jukebox untergebracht war. Und eben dieser “Musikroboter” war das Objekt meiner Begierde… Ich wollte UNBEDINGT sehen wie das “geheimnisvolle” Ding funktioniert und was da so rauskommt. Also warf ich ganz aufgeregt meinen Silberling in den Schlitz und drückte irgendeine Zahl mit einem Buchstaben dazu. Nach kurzem Geratter und spannendem Knistern kam etwas, was mein Leben nicht nur in musikalischer Hinsicht mitbestimmen sollte: Das ging ab wie die Flak!!
Es war “Some Girls” von einer britischen (heute würde ich sagen “Plastik-“) Rock’n’Roll”-Band namens “Racey”. Ich wußte gar nicht, wie mir geschah, aber wie von der wilden Tarantel gebissen, hüpfte und sprang ich herum wie ein Ferngesteuerter. Mein Cousin dachte mit Sicherheit, ich sei geisteskrank geworden. Diesen Song hab ich bis heute nicht vergessen, denn er war die Initialzündung für einen Lausbuben mit Rock’n’Roll im Blut…
(2) Bunte Bilder auf der Haut. Wie stehst du zu Tattoos und Körperschmuck?
Gute Tattoos finde ich absolut klasse, sie sind ein persönlicher Ausdruck eines jeden Einzelnen und Gott sei Dank auch bei uns endlich gesellschaftsfähig geworden. Manche Freaks meinen aber ernsthaft ein paar Tattoos, die Haare nach hinten gegreast und fertig ist der Billyboy. Oft erntet man hier verzweifelte Blicke, wenn man fragt, ob sie Johnny Burnette cool finden… Whatever, Mitläufer gab es immer. Vielleicht kommt ja der eine oder andere tatsächlich längerfristig auf den Geschmack.
Funny: Der Opa meiner Ex-Freundin sagte immer: “Diese Tätowierten sind doch alle Zuchthäusler oder vom Schiff runter.” 😉 Seine Enkelinnen sind inzwischen ziemlich heftig geinked. Cool oder?
(3) Stell dir vor, du wärst der Veranstalter deines eigenen Musik-Festivals. Welche drei Bands oder Sänger_innen würdest du für einen Auftritt buchen?
Stray Cats, the early “Hamburg”-Beatles und Southern Culture on the Skids.
(4) “Rock’n’Roll until I die!” Du hast deinen ganz eigenen Lebensstil gefunden. Welche Rolle spielen dabei Freunde, Familie und deine Freizeit?
Meine Familie und meine Freunde sind fast alle in meine Rock’n’Roll-Abhängigkeit involviert und kennen mich gar nicht anders, da ich seit über 30 Jahren von diesem Wahnsinn infiziert bin und einen großen Teil meiner Freizeit damit verbringe, den Rawk’n’Roll unter anderem in Form von Live Musik unter das Volk zu bringen.
(5) Wir alle werden unweigerlich älter. Was hat sich in den letzten Jahren in der Rock’n’Roll-Szene verändert?
Ich habe festgestellt, dass es dank des Internets wesentlich einfacher geworden ist, an bestimmte Sachen wie Vintage Instrumente, 50’s Kleidung, US-Cars, Songtexte, etc. ranzukommen. Was nicht in jeder Hinsicht immer sooo cool ist, da man manche Dinge einfach mehr zu schätzen weiß, wenn man darum “kämpfen” muss – und nicht nur den Button am Computer oder Handy zu drücken braucht. Tattoos sind heute natürlich kaum mehr wegzudenken. Früher waren Jungs und Mädels besonders “rebellisch”, wenn sie geinked waren.
Irgendwie beschleicht mich manchmal das Gefühl, dass sich das “Rock’n’Roll Lager” in zwei Hälften gespaltet hat: Die Hepcats mit original 40’s/50’s Outfit und generellem Hang zu echten, alten Sachen und die Rockabillies, die es eher zu schätzen wissen, bezahlbare, auf Vintage getrimmte Klamotten. im Laden oder im Onlineshop kaufen zu können. Auch wenn manche Jungs & Mädels von der Rockabilly-Polizei meinen, dass dies und das nicht 50’s like oder rockabilly-konform sei. Scheiß drauf, beide “Gesinnungen” zielen auf eines ab: Rock’n’Roll!! Ich finde es immer wieder großartig, wenn man in einer fremden Stadt oder einem anderen Land “fremde” Leute aus unserer Subkultur trifft und sich sofort auf Anhieb versteht – weil die Richtung einfach passt und man sich einig ist, dass der Rock’n’Roll einfach unschlagbar geil ist. 🙂 Früher, sowie auch im Hier und Jetzt!
Nochmal zum Internet: Ich erinnere mich gut daran, als ich mir Songs auf Schallplatte immer und immer wieder von vorne anhörte, um die Texte von englischen Songs abzuschreiben. Ihr möchtet nicht wissen, was ich da so alles zusammengeschrieben habe… 😉 Beim Gig merkte das natürlich meist kein Schwein. Wenn aber ein Ami im Publikum war, wurde mein Gesang bei manchen Stellen schon mal etwas leiser. Mit Internet wäre mir das höchstwahrscheinlich nicht passiert.
(6) Du kannst mit einer Zeitmaschine zu einem Ereignis der Vergangenheit reisen. Wohin würde deine Reise gehen?
Oh Mann, da gäbe es einige Ereignisse… Was mir aber sofort einfällt:
2. Februar 1959 Surf Ballroom, Clearlake Iowa, WinterDance Party Tour. Was wäre wohl aus den Dreien geworden, wenn die Heizung vom Tourbus funktioniert hätte? Wir werden es nie erfahren.
(7) Welches Konzert oder welche Veranstaltung würdest du trotz freien Eintritts und freier Getränke niemals besuchen?
Ein Konzert von Modern Talking
(8) Du kannst für einen Tag in die Rolle eines anderen Menschen schlüpfen – wer wäre das und warum?
Music Producer T-Bone Burnett. Ich könnte einigen Stars meinen eigenen Stempel aufdrücken. Das wäre sehr interessant!
(9) Du sitzt auf einer Parkbank. Plötzlich setzt sich ein Mann neben dich und behauptet Gott zu sein. Welche zwei Fragen würdest Du ihm stellen?
Warum lässt Du das Elend so vieler Kinder zu? Und: Spielt Elvis da oben wieder mit Bill Black?
(10) Stell dir vor, du könntest ein ganzes Jahr Urlaub machen bzw. eine Auszeit nehmen. Was würdest du tun?
Sechs Monate Urlaub mit meiner Family in den USA, sechs Monate Songs schreiben und dann ab in’s Studio!
(11) Wie wichtig ist Kleidung für dich? Ausdruck deiner inneren Gemütsverfassung, Statement deines Lebensstils oder eine nebensächliche, notwendige Alltagsmaßnahme?
Ein Statement meines Lebensstils!
(12) Was ist überlebenswichtig für dich? Auf was könntest du überhaupt nicht verzichten?
Meine Frau, meine Kinder und meine 55er Gibson.
(13) Du hast das letzte Wort. Welche Frage wolltest du immer mal in einem Interview gefragt werden?
Wie entstehen Deine Songs?
Die Ideen zu meinen Songs entstehen oft in allen möglichen und unmöglichen Situationen, die ich im Alltag so erlebe. Hin und wieder sind es aber auch fiktive Stories, die ich zusammenspinne. Viele Nummern entstehen verrückterweise direkt live auf der Bühne, wenn ich gerade einen “Flash” habe. “Hey Jungs steigt einfach mal mit ein, ich hab da grad so einen Groove im Kopf!” A one, two, three, four… Und schon wird komponiert und getextet in einem Abwasch. Zuhause höre ich mir das Ergebnis an, sofern es mitgeschnitten wurde. Dann feile ich am Arrangement und lass meiner Fantasie freien Lauf oder verarbeite eine tatsächlich erlebte Geschichte. Mir ist es schon oft passiert, dass ich mal wieder eine „Eingebung“ hatte und keine Möglichkeit sie festzuhalten… Mann, war das ärgerlich!!
Als ich noch als Trucker meine Brötchen verdiente, hatte ich während der Touren immer ein Diktiergerät dabei und es kam dann schon öfter mal vor, dass ich auf dem Highway zu trällern anfing. Das 5-String Banjo war auch öfter mit dabei. Heute ist es selbstverständlich ein Handy, mit dem ich Ideen festhalte, die verdammte Geißel ist ja eh immer in der Hosentasche…
Einmal ging ich mit meinen Bandmates während einer Gigpause in Bad Reichenhall in die Stadt, um etwas zu bummeln. In einem coolen Spielwarenladen, der sehr viele Holz- und Blechspielzeuge führt, fiel mir ein Kalimba (Holzblock mit Metallzungen) auf, das auf einer gelben, hölzernen Sonne montiert war. Ich spielte ein paar Töne damit und war total fasziniert von dem melancholischem und verträumten Klang. Also kaufte ich es, um es meinem dreijährigen Söhnchen John mitzubringen.
Mittlerweile spiele ich viel mehr damit als er. 😉 Zur Zeit komponiere ich mit dieser Kalimba eine neue Nummer namens “Hey Moon..” – eine Ballade über unseren Erdtrabanten. Der haut mich immer voll weg, wenn er in einer sternenklaren Nacht runterleuchtet. Da hab ich meist gar keinen Bock nach Hause zu gehen – ihn einfach nur anzuhimmeln und am besten noch eine Gitarre dabei zu haben, finde ich intergalaktisch gut.
Natürlich passiert auch einiges an der Gitarre, Banjo, Kontrabass, Ukulele, Harp oder – als ich noch eines im Wohnzimmer stehen hatte – auch mal am Klavier. Ich bin zwar mit Sicherheit der übelste Tastenmann, den man sich vorstellen kann, aber das gute Teil inspiriert einfach ohne Ende. Es sind gerade diese spezifischen Sounds der einzelnen Instrumente, die Geschichten in meinem Kopf entstehen lassen.
Es hat ein paar Jahre gegeben, in denen ich keine einzige Nummer geschrieben habe, weil die Rübe einfach zu voll mit anderen Krimskrams war. Jetzt funzt es wieder hervorragend und ich freue mich tierisch auf die neuen selfpenned Songs unseres Debütalbums “Love Seeker” das im Frühjahr 2017 an den Start geht. Yeeehaw!!!
Ihr wollt mehr vom Scotty Bullock Trio sehen? Hier findet ihr Termine und noch mehr Infos:
Scotty Bullock Trio im Netz: http://www.scottybullocktrio.de
Scotty Bullock Trio auf Facebook: https://www.facebook.com/The-Scotty-Bullock-Trio-1505888313033428/