Heute ist er eine Stilikone, der amerikanische Gangster der 20er und 30er Jahre. Mit einem langen Trenchcoat, den Hut tief in die Stirn gezogen und die Zigarette lässig im Mundwinkel, so präsentiert uns Hollywood die Outlaws und Mafiosi, die nach dem Ersten Weltkrieg Presse und Öffentlichkeit der USA in Aufruhr brachten. Daneben räkelt sich meist eine verführerische Schönheit im Swingdress und mit Pelzrobe, die roten Lippen zu einem abschätzigen Lächeln verzogen. Doch wer waren sie eigentlich wirklich, Al Capone, Machine Gun Kelly oder John Dillinger?
Die Prohibition – Nährboden für Schmuggler und Outlaws
1920 begann eines der vielleicht wagemutigsten Experimente in der amerikanischen Geschichte. Mit dem Inkrafttreten des sogenannten Volstead-Gesetzes wurden die Produktion und der Verkauf aller Getränke mit mehr als 0,5 Prozent Alkohol in den USA verboten. Dasselbe galt für Einfuhr und Ausfuhr. Damit waren die jahrzehntelangen Bemühungen der Prohibition Party und von Verbänden wie der Anti Salon League an ihrem Ziel angelangt.
Tatsächlich führte die immerhin 13 Jahre dauernde Ächtung von Feuerwasser nicht dazu, dass sich Amerika zu einer nüchternen Nation entwickelte. Stattdessen kam es vor allem zu einem massiven Anstieg der Kriminalität. In Städten wie Chicago bildeten sich im Handumdrehen Netzwerke von Gangs, die sich dem Schmuggel, der illegalen Herstellung und dem Verkauf von Alkohol widmeten. Kamen sie sich gegenseitig in die Quere, endete dies oft genug mit wilden Schießereien, Hinrichtungen und Bombenexplosionen. Zwei Jahre nach Ende des großen Krieges, begann nun ein anderer, der sich auf die USA selbst beschränkte.
Speakeasies – legendäre Untergrundbars in Amerikas Städten
Wer in den 20er Jahren in einer amerikanischen Stadt bereit war, den hohen Preis für oft gefährlich schlechten Schnaps zu zahlen, musste nur ein Speakeasy ausfindig machen. Dabei handelte es sich um illegale Kneipen, die nach der Prohibition überall in den USA wie Pilze aus dem Boden schossen. Sie befanden sich in Kellergewölben, Hinterräumen von Geschäften oder Lagerräumen von Süßwarenläden.
Ging es darum, den Schnaps zu transportieren, kannte der Erfindungsreichtum keine Grenzen. Er fand in Attrappen von Büchern, ausgehöhlten Kokosnüssen oder Gartenschläuchen Platz. Manchmal wurde er gleich in der Nachbarschaft selbst hergestellt, notfalls in einer umfunktionierten Badewanne, und dann an der nächsten Ecke für teures Geld verkauft.
Kannte der Besucher das richtige Passwort am Eingang eines Speakseasy, durfte er eintreten und fand sich in einer Bar, einem Club oder einem Raum mit ein paar Stühlen wieder. In größeren Speakeasies sorgten oft Jazzmusiker für die Unterhaltung, während Besitzer und Gangmitglieder mit Argusaugen nach Spitzeln der Behörden Ausschau hielten.
Bei der Bestellung war es oberstes Gebot “to speak easy”. Um jeden Hinweis auf Alkohol zu vermeiden, bestellten Kunden in Speakeasys rätselhafte Getränke wie “White Mule” oder “Tarantula Juice”. Für den Fall, dass unerwartet eine Razzia ins Haus stand, gab es im legendären Club 21 in Manhattan sogar einen geheimen Mechanismus, durch den auf Knopfdruck alle Flaschen mit Alkohol automatisch in den Abwasserkanal der Stadt befördert wurden.
Al Capone – der Aufstieg des Mafiakönigs von Chicago
Schillernde Figuren gab es viele in dem Netzwerk aus Gangs, Barbesitzern, Geschäftsleuten und Politikern, die die Prohibition ausnutzten, um ihre Taschen zu füllen. Der berühmteste von ihnen trat anders auf, als man es von Gangsterbossen vor ihm gewohnt war. Alphonse Gabriel “Al” Capone war bekannt für seine Vorliebe für maßgeschneiderte Anzüge, teure Zigarren und edlen Whiskey. Auch weibliche Gesellschaft und Schmuck wusste der Mann mit dem stechenden Blick zu schätzen.
Das Besondere darn war, dass Capone diese Vorlieben nicht in stillen Hinterzimmern zelebrierte, sondern genüsslich vor Presse und Öffentlichkeit. Wurde der Gangsterboss auf seine “Geschäfte” angesprochen, gab sich Al Capone, alias Scarface, ganz pragmatisch. Er gebe den Leuten nur, was sie wollen, so lautete seine Standardantwort.
Hinter den Kulissen jedoch war der Werdegang des Unterweltkönigs mit Blut gepflastert. Dabei stammte der 1899 in Brooklyn geborene Alphonse Capone aus einer vollkommen unauffälligen italienischen Immigrantenfamilie. Seine kriminelle Karriere begann damit, dass Capone wie andere Jungen aus seiner Nachbarschäfte Botengänge für den Gangster Johnny Torrio ausführte, einem der ersten, der es verstand, nach außen hin als respektabler Geschäftsmann und gut angezogener Gentleman aufzutreten und im Hintergrund ein kriminelles Imperium aufzuziehen.
1921 brach Capone eine angehende Karriere als Buchhalter ab und folgte Torrio nach Chicago. Die Stadt war zu dieser Zeit nicht nur die vielleicht größte Fleischfabrik auf dem Planeten Erde, sondern auch ein Zentrum von Korruption und Prostitution, Glücksspiel und Gewalt – der perfekte Ort, um zum berühmtesten Gangster der USA aufzusteigen.
Die Hochzeit des Al Capone
Als Capone in Chicago eintraf, hatte Torrio bereits Tausende von Bordellen, Spielhallen und Speakeasies unter seinem Kommando. Der junge Capone stieg schnell zur rechten Hand und zum Stellvertreter seines Gönners auf. Dafür bezahlte er vor allem mit einem Verlust an Sicherheit. Nach dem Mord an dem schillernden Konkurrenten Dion O`Banion in dessen Blumengeschäft wurden etwa ein Dutzend erfolglose Anschläge auf Capone verübt, der ohne Leibwächter nicht mehr aus dem Haus ging.
Auf den Höhepunkt seiner Macht gelangte Al Capone, als Johnny Torrio nach einem Shoppingbummel mit seiner Frau angeschossen wurde und sich entschloss, die Gangsterkarriere endgültig gegen den Ruhestand einzutauschen. Jetzt war der ehemalige Botenjunge, Türsteher und Buchhalter aus New York einer der mächtigsten Männer Chicagos. Schon bald bezog er sein neues Hauptquartier, das Metropole Hotel, und begann damit, sich in der Öffentlichkeit als respektablen Geschäftsmann und Wohltäter zu präsentierten.
Nicht nur verkehrte Capone mit einflussreichen Politikern und Journalisten Chicagos. Er eröffnete auch Suppenküchen für die Armen, besuchte Wohltätigkeitsveranstaltungen und die Oper. Hinter den Kulissen jedoch blieb der angebliche Wohltäter gnadenlos gegenüber Rivalen, die sein Imperium bedrohten. Ob er sie in einem Club, auf der Straße oder vor ihrer Wohnung aus Fenstern im Nachbargebäude exekutieren ließ, die minutiös geplanten Killerkommandos von Capone waren berühmt und berüchtigt.
Dabei wusste in der Regel jeder in Chicago, wer für das Massaker verantwortlich war, beweisen ließ sich der Gangsterboss, der eine ganze Schar an Polizisten auf seiner Gehaltsliste hatte, lange nichts. Sogar dann als er einen kleinen Ganster, der einen seiner Freunde angegriffen hatte, eigenhändig in einer Bar erschoss, kam es zu keiner Verurteilung . Es schien, als könnte dem mächtigsten Gangsterboss Amerikas niemand das Handwerk legen. Doch schon bald sollte sich der Wind drehen.