Mit “Nite Owls” entfernt sich JD McPherson ein Stück weiter vom Oldschool Rockabilly seines legendären Debütalbums. Tollenträger ohne Scheuklappen könnten trotzdem auf Ihre Kosten kommen.
Vom Oldschool Rockabilly zum Glam Rock
JD McPherson lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Das bewies der Sänger und Gitarrist aus Oklahoma schon mit “Undivided Heart and Soul”, dem – von einem ungewöhnlichen Weihnachtsalbum abgesehen – letzten Album mit Originalsongs, das er vor der gefühlten Ewigkeit von 6 Jahren veröffentlichte. Den Oldschool Rockabilly der erfolgreichen Vorgänger ersetzte er darauf kurzerhand durch wuchtigen 60s Garage Rock.
Auch “Nite Owls” lässt es erst einmal krachen. Der Opener “Sunshine Getaway” weckt Erinnerungen an den bluesigen Glam Rock von T.Rex und groovt so unwiderstehlich, dass Füße stillhalten zur Herausforderung wird. Es folgt das augenzwinkernde “I Can’t Go Anywhere With You”, bevor der verträumte New Wave von “Just Like Summer” zum Cruisen einlädt.
Glam Rock, Surfsound, New Wave: diese drei Stilrichtungen bestimmen den Sound von “Nite Owls”. Dabei gelingt JD McPherson und seiner Band einmal mehr, woran viele “Retro-Alben” scheitern: Statt wie ein Nostalgietrip für Szenefans klingt “Nite Owls” nach einer Platte von heute. Nur “The Phantom Lover of New Rochelle” würde problemlos als neu entdeckte Shadows-Single durchgehen.
“Nite Owls” vereint Duane Eddy und Depeche Mode
Gewidmet ist “Nite Owls” dem “King of Twang”, Duane Eddy. Ursprünglich sollte dieser sogar das Solo auf “Shining Like Gold” übernehmen, doch sein Tod im April dieses Jahres zwang JD McPherson, selbst in die Seiten zu greifen. Duane Eddy hätte das Resultat wohl gefallen, genau wie so manch anderer hallgetränkte Single-Note-Gitarrenpart – für JD McPherson ein Bindeglied zu Depeche Mode, einer anderen musikalischen Einflussgröße auf seiner neuen Scheibe.
Aber keine Sorge: Auf Elektro-Bombast und Synthies verzichtet Jd McPherson. Stattdessen ist “Nite Owls” eine klassische Gitarrenplatte geworden, über weite Strecken zusammen mit alten Weggefährten live aufgenommen. Kein Schnickschnack, wenig Overdubs, ein kompakter Bandsound, so lautet die Devise. Das heißt leider auch, dass Piano und Bläser diesmal nicht zum Zuge kommen.
Nicht immer geht dieses Rezept auf. “Don’t Travel Through The Night Alone” beispielsweise konterkariert den unheilvollen Titel durch gepflegte Langeweile, und der Titeltrack braucht eine ganze Weile, um Fahrt aufzunehmen. Auch fehlen auf “Nite Owls” der mitreißende Schwung von “Signs and Signifiers” und die großen Melodien von “Undivided Heart & Soul”. Wer zeitlos gute Gitarrenmusik mag, dürfte an der Scheibe trotzdem Freude haben und gespannt sein, womit JD McPherson das nächste Mal aufwartet.
Photo by Joshua Black Wilkins