Seit Marlon Brando in “The Wild One” 1953 zum Vorbild von Teddyboys und Halbstarken, Schwarm braver Töchter und Prototyp des Outlaws auf zwei Rädern wurde, ist der Bikerfilm eine eigene Kategorie. Seitdem finden in regelmäßigen Abständen Geschichten den Weg auf die Leinwand, die moderne Cowboys auf Motorrädern in den Mittelpunkt stellen. Die meisten davon schaffen es nicht bis ins Kino. Zu wenig überzeugend ist die Mischung aus Western, Rockerdrama und Liebesschnulze, die viele Regisseure im Schnelldurchlauf und mit der Hilfe mäßig begabter B-Movie-Schauspieler in Lederkluft anrühren. Ein paar Perlen gibt es aber für die langen Tage, an denen die eigene Maschine den Winterschlaf bereits angetreten hat.
“The Wild One” – Der Urvater aller Bikerfilme
“The Wild One” (in der deutschen Fassung “Der Wilde”) von Regisseur László Benedek gilt als der erste Bikerfilm der Geschichte. Marlon Brando erlangte in der Hauptrolle als Anführer einer Motorradgang, die die amerikanische Kleinstadt Wrightsville terrorisiert, endgültig Unsterblichkeit. Besonders berühmt wurde die Szene, in der Johnny alias Brando gefragt wird, gegen was er eigentlich rebelliere, und darauf antwortet: “What`ve you got?” Während Händler von Lederjacken nach dem Filmstart von “The Wild One” Umsatzrekorde erzielten, wurde die öffentliche Aufführung des Films wegen seiner kontroversen Handlung in England bis ins Jahr 1968 hinein untersagt. An Marlon Brando orientierte sich Elvis Presley übrigens auch bei seiner vielleicht besten Filmrolle in “Jailhouse Rock”.
“Easy Rider” – Roadmovie mit legendärem Soundtrack
Auch “Easy Rider” von Dennis Hopper, Peter Fonda und dem weniger bekannten Terry Southern ist längst Kult und sollte in keiner Sammlung von Bikerfilmen fehlen. Die Odyssee von zwei Hippies durch ein Amerika, in dem sich Hippies, Rednecks und Ausgeflippte aller Art die Klinke geben – und sich am Ende gegenseitig umbringen – gilt inzwischen als ein filmischer Meilenstein. Dazu kommt der legendäre Soundtrack, der noch heute die perfekte musikalische Untermalung für einen Trip mit der Harley darstellt. Mit Steppenwolf, The Band, Jimi Hendrix und The Byrds tummelt sich in “Easy Rider” die Elite der Rockmusik in den späten 60ern. Wer da nicht in Stimmung für einen Road Trip kommt, dem ist nicht zu helfen.
“Hell Ride” – Tarantinos Beitrag zum Genre
Regie bei “Hell Ride”, der 2008 erschien, führte Larry Bishop. Als Produzent agierte allerdings kein Geringerer als Quentin Tarantino. Trotzdem ging der Film bei Kritik und Publikum baden. Viel Tiefgang bietet die Geschichte des Outlaws Pistolero, der zusammen mit den Mitgliedern seiner Bikergang Rache für seine Freundin Cherokee nimmt, tatsächlich nicht. Dafür kommen Freunde von schrägem Trash mit hohem Gewaltpotenzial hier voll auf ihre Kosten. Auch Dennis Chopper durfte übrigens für “Hell Ride” wieder in den Sattel steigen.
“Quadrophenia” – Krieg zwischen Mods und Rockers
Ein Film, der auf einer Platte basiert, das hat Seltenheitswert. “Quadrophenia” ist wohl das berühmteste Beispiel dafür. Im Mittelpunkt der Story, für die The Who mit ihrem gleichnamigen Album 1973 den Grundstock gelegt hatten, stehen die Auseinandersetzungen zwischen Mods und Rockers im England der 60er Jahre. Beide bewegen sich auch im Film bevorzugt auf Zweirädern fort, die Rockers auf schweren Motorrädern und ihre Erzfeinde auf Motorrollern. Ein reiner Bikerfilm ist “Quadrophenia” natürlich nicht, dafür gibt es neben guten Schauspielern hier wieder erstklassige Rockmusik zu genießen, vor allem natürlich von The Who.
“Amerikana” – ein Bikerfilm der anderen Art
Wer weder Lust auf Trash noch auf Kult hat, kann es einmal mit einem Bikerfilm der anderen Art versuchen. In “Amerikana” , ein Film von James Merendino, machen sich zwei Freunde auf den Weg von Süd Dakota nach Los Angeles. Eigentlich möchten sie dafür eine Harley Davidson verwenden, die Chris (James Duval) von seinem Onkel geerbt hat. Diese stellt sich jedoch überraschenderweise als italienische Vespa heraus. Schon an dieser Stelle wird klar, dass in diesem Bikerfilm alles etwas langsamer vorangeht. Gedreht ist er als Dogma95-Film. Wer jetzt Angst bekommt, dass er vor diesem Filmerlebnis erst noch ein paar Bücher lesen muss, darf beruhigt sein. “Amerikana” ist ein stiller “Vespafilm”, der auf (fast) alle Zutaten klassischer Bikerfilme verzichtet und trotzdem ziemlich viel Spaß macht. Vollkommen nüchtern muss man dafür auch nicht sein.