Johnny Cash singt Deutsch? Nein, das ist kein schlechter Witz. Noch bevor er zum “Man in Black” wurde, brachte der Country- und Rockabillystar eine ganze Reihe an deutschsprachigen Singles heraus – und nicht nur er. Auch andere legendäre Rock’n’Roll-Sänger durften sich in den 50er und 60er Jahren an den Schöpfungen deutscher Textdichter versuchen. Wir haben in der Plattenkiste gekramt und einige besonders kuriose Ergebnisse solcher Crossover-Experimente ans Licht geholt.
Deutschsprachige Singles für den deutschen Markt
Englischsprachiges in deutschen Hitparaden hatte bis zum Beginn der Beatlemania Seltenheitswert. Sieht man von gelegentlichen Ausreißern ab, dem einen oder anderen Titel von Bill Haley oder Elvis Presley zum Beispiel, dominierte der einheimische Schlager. Schließlich sollte der Hörer verstehen, was da so gesungen wurde. Davon abgesehen war die bundesdeutsche Texterriege eine einflussreiche Größe im Musikbusiness, die sich keine Verdienstmöglichkeit entgehen ließ. Das hieß nicht, dass nicht auch ausländische Interpreten in Deutschland zu Wort kommen durften – nur sollten das Wort bzw. die Worte dann gefälligst deutsch sein. Ein paar hörenswerte Resultate dieser Taktik, die in den 60er Jahren noch einmal verstärkt angewandt wurde, sind die folgenden.
Johnny Cash – Wo ist Zuhause Mama
Johnny Cash gilt als erster amerikanischer Countrysänger, der deutsche Versionen seiner eigenen Songs einsang. Anstoß dazu war Udo Jürgens Coverversion von “Don’t take your guns to town” (“Leg die Knarre weg”) 1959. Dieser letztendlich erfolglose Coverversuch weckte die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen bei Cashs Plattenfirma. Sie ließen nun Cash selbst antreten, um den deutschen Markt zu erobern, selbstverständlich in Hochdeutsch. Schließlich konnte der Sänger seit seiner Militärzeit in Landsberg a. Lech zumindest im einheimischen Idiom radebrechen. Fundament für das Experiment waren die Originale “I got stripes” und “Five feet high and rising”. Das Texterteam Jochen Balke und Günter Loose ließ sich nicht lumpen und machte daraus mit viel Fantasie und künstlerischer Freiheit “Viel zu spät” und “Wo ist Zuhause, Mama?” Dass die Single letztendlich nicht auf den Markt kam, erscheint aus heutiger Sicht durchaus verständlich. Übrigens gibt es noch andere deutschsprachige Singles von Johnny Cash (u.a “Wer kennt den Weg”, das eingedeutsche Cover von “Walk the Line”).
Elvis Presley – Muss i denn zum Städtele hinaus
Für viele Fans des Rock’n’Roll-Elvis ist “Wooden Heart” / “Muss I denn zum Städtele hinaus” der Anfang vom Ende. Basis für dieses eigentümliche Stück Musik mit deutschen und englischen Textpassagen war ein deutsches Wanderlied aus dem 19. Jahrhundert, auf das Elvis während seiner Stationierung in in Friedberg aufmerksam wurde. Ursprünglich nur auf dem Album zum gleichnamigen Film “G.I. Blues” enthalten, kam der Song in Europa auch als Single auf den Markt und war äußerst erfolgreich. In England belegte “Wooden Heart” sogar den 1. Platz der Charts. Der Bayerische Rundfunk war von dieser Adaption eines traditionellen Volkslieds dagegen überhaupt nicht begeistert und verbannte den Titel aus seinem Programm.
Chubby Checker – “Troola, Troola, Troola-la”
Auch der Twistkönig Chubby Checker durfte sich am deutschen Liedgut versuchen. In diesem Fall war die Vorlage “Auf de Schwäb’sche Eisenbahne”, dessen Refrain mit den einprägsamen Worten “Trulla, trulla, trullalla” beginnt. Die Version des erfolgreichen Twisters besticht mit kongenialen Verszeilen wie: “Jeder kennt in Germany diese little Melody” und “Wenn ich durch die Tannel schaukel, ist es dark und very dankel”.
Wanda Jackson – Und dann kam Johnny
Weniger lustig sind Wanda Jacksons Ausflüge in die deutsche Sprache. Dafür war die Grand Old Lady des Rockabilly damit richtig erfolgreich. “Santa Domingo” (1965) landete sogar auf Platz Eins der Bravo-Charts. Nicht ganz so bekannt ist “Und dann kam Johnny” aus dem Folgejahr. Im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Singles amerikanischer Rockstars handelte es sich dabei nicht um eine Coverversion eines englischen Songs von Jackson. Stattdessen wurde die Nummer eigens als deutscher Schlager geschrieben. Ja, richtig gehört: Singt sie Deutsch, hat Wanda Jackson mit Rock’n’Roll und Country meist nicht mehr viel am Hut. Auch “Und dann kam Johnny” ist ein lupenreiner Schlager – ideal zum Schunkeln und Auf-die-Eins-klatschen.
Willie Nelson – Whiskey-Walzer
Und zum Abschluss noch ein besonderer Leckerbissen. Zugegeben, Willie Nelson hat auch, wenn er sich auf die englische Sprache beschränkt, mit Rockabilly nicht so viel am Hut. Doch nicht nur eingefleischte Country-Fans dürften viel Spaß mit diesem kuriosen Trinklied aus dem Jahr 1964 haben. “Einen Whiskey dem Sheriff und dem Marshall dazu, einen Whiskey auf Rosa, meine rotbraune Kuh, einen Whiskey auf Mami, denn das ist sie so wert, einen Whiskey auf Fury, mein einziges Pferd”. Prost!