Für viele Jugendliche in den 50er Jahren war die Milchbar ein kleines Stück verheißungsvolles Amerika mitten im biederen Nachkriegsdeutschland. Oftmals eingerichtet im Stil amerikanischer Diner und mit der obligatorischen Jukebox ausgestattet stellte sie einen Ort dar, an dem man sich unbeaufsichtigt von Eltern und Lehrern mit Gleichaltrigen treffen, Rock’n’Roll hören und sogar tanzen konnte. Für die Gegner von Jeans, Tolle und Bill Haley waren Milchbars ein schlagender Beweis für die schädlichen Auswirkungen der Amerikanisierung. Die wenigsten wissen bis heute, dass es sich dabei gar nicht um eine amerikanische Erfindung handelt.
Eine griechisch-amerikanische Erfindung in Australien
Immer noch hält sich das Gerücht, Milchbars wären in Amerika während der Prohibition entstanden. Historiker datieren die Eröffnung der ersten Milchbar dagegen auf den November 1932. Bei dem Mann, der die Black & White 4d. Milk Bar in Sidney ins Leben rief, handelte es sich auch nicht um einen Amerikaner, sondern um einen Griechen. Joachim Tavlaridis beziehungsweise Mick Adams, wie er seit seiner Ankunft in Australien hieß, war ein tüchtiger Geschäftsmann und ein überzeugter Anhänger der Mäßigung..
Den in seinen Augen übermäßigen Alkoholkonsum seiner australischen Mitbürger verabscheute Adams tief. Entsprechend handelte es sich bei der Bezeichnung Black & White um eine sarkastische Anspielung auf den Whiskey gleichen Namens (mit der Pomade hatte die Namensgebung dagegen nichts zu tun). 4d standen für die billigen Fourpence, für die ein Kunde bei Adams ein – garantiert alkoholfreies – Glas Milchshake erstehen konnte – ein echter Schnäppchenpreis im zeigenössischen Rahmen.
Auch wenn das Konzept der Milchbar zu dieser Zeit in Amerika unbekannt war, war Adams die zündende Idee dazu während einer USA-Reise gekommen. Dort waren zu dieser Zeit “Soda Drugstore Parlors” verbreitet, in denen Gäste – anders als in herkömmlichen Restaurants – im Stehen oder auf Barhockern eine Kleinigkeit zu sich nehmen konnten. Milchshakes gab es in diesen Lokalitäten ebenfalls, sie waren aber nur ein Teil des Angebots. Das Wort “Bar” war dagegen in Amerika untrennbar verknüpft mit alkoholischen Getränken.
Der Siegeszug der Milchbar
Die Black & White 4d. Milk Bar erwies sich als ein echter Publikumshit. Angeblich besuchten allein am Eröffnungstag 5000 Menschen den kleinen Raum, der zunächst nur Sitzgelegenheiten für 12 Personen bot, und auch danach riss der Besucherstrom nicht ab. Adams nutzte die Chance und eröffnete weitere Milchbars in anderen australischen Städten. Dabei kam ihm sein Gespür für publicityträchtige Aktionen zugute. Beispielsweise heuerte der findige Geschäftsmann für Neueröffnungen prominente Persönlichkeiten wie den australischen Schauspieler Cyril Ritchard als Bedienung an und stellte eine Maschine in Form einer Kuh in sein Schaufenster, die ständig Milch in einen Eimer abgab.
Die Erfahrung zeigt, dass ein erfolgreiches Konzept schnell Nachahmer findet. So war es auch bei der Milchbar. Schon wenige Jahre nach Adams spektakulärer Eröffnung der Black & White 4d. Milk Bar gab es mehrere Tausend Lokale in Australien, die den günstigen Verkauf von Milchshakes mit einem “amerikanischen” Einrichtungsstil kombinierten. In Amerika selbst dagegen wurden die Begriffe “Bar” und “Milk” erst in den 40er Jahren miteinander in Verbindung gebracht.
Milchbars und Jukeboxes – Rock’n’Roll und alkoholfreie Getränke
In Deutschland wurden Milchbars in den 50er Jahren zu einem beliebten Treffpunkt von Jugendlichen. Unter anderem entwickelten sie sich zu einem Szenetreffpunkt von Halbstarken und Rock’n’Roll-Anhängern. Gründe dafür gab es mehrere. Einmal schenkten Milchbars keine alkoholischen Getränke aus, sodass sie auch von nicht volljährigen Jugendlichen problemlos frequentiert werden konnten. Immerhin jedoch trugen sie das Wörtchen “Bar” im Namen. Das klang irgendwie nach Amerika und Cocktailbar. Ergänzt wurde der wohlklingende Name durch einen Einrichtungsstil, der junge James-Dean und Elvis-Fans aus ihrer Heimatstadt an der Isar oder am Rhein direkt ins Land der vielen Möglichkeiten katapultierte.
Zum eigentlichen Herzstück und zur Hauptattraktion von Milchbars entwickelte sich für viele Heranwachsende im Nachkriegsdeutschland jedoch die Jukebox. In einer Zeit, in der deutsche Hörer die Ohren mit Ralf Bendix und Freddy Quinn malträtierten, gehörten Milchbars neben Jahrmärkten zu den einzigen Orten, an denen gute Chancen darauf, bestand, Elvis, Haley und Co. zu hören – im Original, nicht in der Version von Pat Boone. In den 60er Jahren wurden Milchbars zunehmend von Eisdielen verdrängt, doch manch einer vermisst sie noch heute, vor allem die Jukebox.
Ganz genau so wie es sie damals gab, nicht mehr. Aber wir haben eines gefunden, welches einer Milchbar nahekommt. 🙂 https://www.milchbar-bremerhaven.de/
Cheers
Lara von Rockabilly Rules
Ich bin 1961 geboren und habe die Bastille live kennengelernt, doch stehe ich voll auf diese Milchbars und Rock’n’Roll Musik aus einer music box. Ich wünschte ich könnte so eine Bar eröffnen. ich grüße alle Rock’n’ Roll Fans, ich liebe 50er 60er Musik. Gibt es so eine Bar in Deutschland noch?