Am 1.10.1958 kam der King of Rock’n’Roll in Deutschland an, mit dem Schiff. Kein Wunder, dass Hunderte junger deutscher Rock’n’Roll-Fans am Kai in Bremerhaven nur darauf warteten, dass ihr Idol die Gangway herunterstieg, um seinen Militärdienst auf westdeutschem Boden zu beginnen. Elvis selbst war deutlich begeistert über die verordnete Karriereauszeit, aber was tut man, wenn man keine Wahl hat? Richtig, man spielt mit, und darin war der Sänger mit dem weltberühmten Hüftschwung ziemlich gut.
Der Armee entkommt keiner – auch Elvis Presley nicht
Seit der Abschaffung der Wehrpflicht in den USA 1973 muss kein Amerikaner mehr den Dienst an der Waffe lernen, wenn er keine Lust dazu verspürt. So besteht keine Hoffnung, dass das Militär irgendwann die Karriere von Justin Bieber unterbricht. In den 50er Jahren sah die Sache anders aus. Angesichts des Kalten Krieges blieb der ursprünglich wegen des Koreakriegs erlassene Universal Military Training and Service Act erst einmal in Kraft. Der besagte, dass sich alle Männer im Alter zwischen 18 und 26 Jahren für den Militärdienst registrieren mussten. Ob sie tatsächlich einberufen wurden, hing davon ab, wie viele Männer sich in der betreffenden Zeit freiwillig bei der jeweiligen Einberufungsbehörde meldeten.
Es war also keineswegs sicher, dass Elvis Presley einmal eine Uniform anziehen musste. Komplett unwahrscheinlich war, dass das Militär eine Ausnahme machen würde, sollte der Name des Rock’n’Roll-Stars irgendwann oben auf der Liste erscheinen. Diesem selbst blieb als gutem patriotischem Amerikaner nichts anderes übrig, als öffentlich anzukündigen, dass er selbstverständlich wie jeder andere seinen Wehrdienst ableisten würde, sollte es ihn treffen. Seine und des Colonels große Hoffnung, er könnte im Ernstfall in der Armee weitersingen, wurde von Verantwortlichen zerstreut, die die die nüchterne Feststellung trafen: “Our studies indicate that his basic appeal is to young girls. Our interest in that field is somewhat limited.”
Als es Elvis tatsächlich traf, war dies ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für den Sänger. Mit Nummer-Eins-Hits wie “All Shook Up”, “Teddy Bear” und “Jailhouse Rock” und Verträgen für acht Hollywoodfilme befand sich der Rock’n’Roll-Star auf dem Zenit seiner Karriere. Ob diese eine zweijährige Pause verkraften würde, erschien dem Sänger zweifelhaft.
Elvis in Deutschland – ein Rock’n’Roll-Star in Bad Nauheim
Von Oktober 1958 bis Februar 1960 war Elvis in Deutschland stationiert. Den Großteil dieser Zeit lebte er im hessischen Bad Nauheim, zuerst im Hotel und dann in einem Privathaus, zusammen mit seinem Vater, seiner Großmutter und zwei Freunden. Abgesehen von seinem Schlafplatz außerhalb der Kaserne und der Tatsache, dass er seine Haare 3 cm länger als andere G.I.s tragen durfte, verbrachte der Star seine Militärzeit größtenteils wie jeder andere amerikanische Soldat – naja, fast. Denn selbstredend war der Aufenthalt des King of Rock’n’Roll in Bad Nauheim eine kleine Sensation, sodass das Haus, in welches der Sänger jeden Abend nach seinem Dienst in der Kaserne in Friedberg zurückkehrte, gewöhnlich von jungen Fans belagert war.
Manchem dieser heute erwachsenen Fans sind Begegnungen mit dem Idol in lebhafter Erinnerung geblieben. Demnach präsentierte sich Elvis als ausgesprochen höflicher und bodenständiger Zeitgenosse, der mit einer Engelsgeduld Autogramme ausfüllte – auch wenn so manche Postkarte, die zur “offiziellen Autogrammstunde” am Eingang des Hauses abgegeben wurde, im Inneren von der nächsten verfügbaren Person unterschrieben wurde. Elvis-Autogramme sollte man also mit besonderer Vorsicht behandeln.
Für den Star selbst war die Zeit in Deutschland nicht leicht. Nicht nur waren ihm – anders als im Film G.I. Blues – Konzerte untersagt. Auch der Kontakt mit Reportern aus der Heimat wurde von der Militärpolizei strikt unterbunden. Damit hatte Elvis in Deutschland trotz regelmäßiger Telefonate nur einen begrenzten Eindruck davon, ob seine größte Furcht begründet war, nämlich, dass ihn sein Fans in den USA allmählich vergaßen.
Die westdeutsche Presse verfolgte dafür jeden Schritt, den Elvis in Deutschland abseits der Kaserne unternahm. Dasselbe galt für die Bodyguards, die dem Star beim Barbesuch schon einmal den Schampus aus der Hand nahmen und durch Tomatensaft ersetzten. Schließlich sollte er heil und unbeschadet in die Heimat zurückkehren. Die Münchner Wirtin Toni Netzle, die Presley bei einer Tour durch das Nachtleben der Isarmetropole begleitete, erinnert sich daran, dass der Besitzer eines Stripclubs seine Angestellten sogar ermahnte, sich aus Respekt vor Elvis nur halb zu entblößen – wie begeistert dieser darüber war, sei dahingestellt.
Neue Frau und neue Karriere – die Rückkehr
Als der gerade eben zum Sergeant beförderte Elvis Presley im März 1960 in die USA zurückkehrte, durfte er beruhigt sein. Der King of Rock’n’Roll war nicht vergessen worden. Ein bisschen anders sah das mit dem Rock’n’Roll selbst aus. Der hatte, einschlägigen Urteilen von “Musikexperten” nach, seinen Zenit lange überschritten. Kollegen wie Jerry Lee Lewis waren zeitweise in der Versenkung verschwunden. Damit war auch die Zeit des hüftenschwingenden “Elvis the Pelvis” Vergangenheit.
Der einstige Elternschreck wurde jetzt zum gemäßigten Popsänger, der mit Schmachtfetzen wie “It’s Now Or Never” oder “Are You Lonesome Tonight” auch konservative Zeitgenossen in romantische Stimmung versetzte und eine Teenagerkomödie nach der anderen drehte. Konservative deutsche Jugendzeitschriften wie die Bravo nahmen diese Tatsache erleichtert auf.
Dabei hatte Elvis in Deutschland eine Bekanntschaft gemacht, die sein weiteres Leben prägen sollte. Die spätere Ehefrau des Stars, Priscilla Beaulieu, besuchte diesen Ende 1959 erstmals in der Goethestraße – im zarten Alter von 14 Jahren. Sie war die Stieftochter von Captain Beaulieu, der soeben von Texas nach Wiesbaden versetzt worden war. Glaubt man Zeitgenossen, war es Liebe auf den ersten Blick, trotz des Altersunterschieds und der Tatsache, dass Elvis mit Frauenbekanntschaften nicht unbedingt sparsam war.
Auch sonst hinterließ die Militärzeit ihre Spuren. So nahm die Dosis an Amphetaminen, die der Sänger zu sich nahm, während seiner Jahre als Soldat stark zu, eine Angewohnheit, die Elvis später bekanntlich vertiefte. Außerdem entdeckte der Sänger seine Liebe zu Karate und die begleitete ihn wie die Musik bis an sein frühes Lebensende. Wie erleichtert der Star letztendlich über seine Rückkehr in die Heimat und die Entlassung aus der Armee war, machte er später in Memphis deutlich. Er hätte sich gefühlt, als sei er aus dem Gefängnis entlassen worden, so Elvis.
Titelbild:
Elvis’ Army Uniform” by Adam Jones / CC BY-SA 2.0
Fotos:
Elvis Presley Stele von ADFC Bad Nauheim / Friedberg / CC BY 2.0