Adriano BaTolba hat im Laufe der Zeit allerhand Gitarren besessen. Und auch aktuell nennt er eine ganze Armada der Rock’n’Roll-Werkzeuge sein Eigen. Interessanterweise wuchs ihm eine Gitarre, die er bereits mit 15 kaufte, so sehr ins Herz, dass er sich absolut nie wieder von ihr trennen möchte. Eine orangefarbene 1959er Gretsch ist sozusagen die (Gitarren-)Liebe seines Lebens. Wobei die bewegende und teilweise gar dramatische Story hinter der 6120 selbst für Nichtmusiker unterhaltsam sein dürfte…
Immer dabei – Adrianos 1959er Gretsch 6120
Es gibt kaum ein Kapitel in Adrianos Karriere, in der die besagte Gretsch nicht eine tragende Rolle spielte. So war sie etwa bei den kompletten Aufnahmen zum ersten Dick-Brave-Album dabei, genauso wie bei Rock am Ring und Rock im Park oder dem Auftritt auf Pinks Hochzeit in Costa Rica. Bei den Arbeiten zum Album “Bop Around The Pop“ von Boppin‘ B oder Produktionen mit den Baseballs und Silverettes griff Adriano zu der Gretsch. Genauso wie sie bei seinem Trio sowie dem eigenen Orchester zum Einsatz kommt. Bereits für die Aufnahmeprüfung und das spätere Examen an der Amsterdamer Kunsthochschule musste es unbedingt die 6120 sein.
Der heilige Gral für Rockabilly-Gitarristen
Entdeckt hatte Adriano die Gretsch 1989 bei Charing Cross Music in London während eines sommerlichen Ferienaufenthalts als Jugendlicher. Schon nach kurzem Anspielen, verliebte er sich unsterblich in die betagte Gitarre. Dumm nur, dass das Teil 750 Pfund – was seinerzeit 2500 Mark entsprach – kosten sollte. Doch eine Finanzspritze des Vaters half. Während er bei der Rückfahrt auf der Fähre die ganze Zeit den Gitarrenkoffer anstarrte, konnte Adriano kaum glauben, dass er frischgebackener Besitzer einer alten 6120 war. Mit diesem Modell, dessen populärster Spieler wohl Brian Setzer ist, verfügte er nun über ein Instrument, das unter den allermeisten Rockabilly-Gitarristen als so etwas wie der heilige Gral gilt. Adrianos Metier bis zum Diplom am Konservatorium war allerdings vorrangig Jazz. Doch in seiner ersten Rockabilly-Band Catless kam die 6120 in der für sie typischen Weise zum Einsatz. Später dann, wie erwähnt, bei Dick Brave and the Backbeats und natürlich all den anderen rockenden und rollenden Aktivitäten, für die Adriano BaTolba bekannt ist.
Dramatische Wende einer glücklichen Geschichte
Eine dramatische Wende sollte die bis dahin offensichtlich glückliche Geschichte von Adriano und seiner Gretsch 2004 bei einem Dick-Brave-Konzert in Hamburg nehmen. Adriano knallte auf der Bühne mit dem Bassisten zusammen, wobei der Hals der 6120 halb aus dem Korpus gebrochen wurde. Da zufällig ein Mitarbeiter eines örtlichen Gitarrenhändlers anwesend war, konnte mit Hilfe von Leim über Nacht eine Reparatur durchgeführt werden. In der Folgezeit hielt die Gretsch die Stimmung allerdings immer unzuverlässiger, auch litt die Bespielbarkeit zusehends. Der Sound war aber nach wie vor echt grandios! Also suchte Adriano mit verschiedenen Gitarrenbauern nach einer Lösung, die jedoch nicht gefunden werden konnte.
Absolut kein Erinnerungsstück für die Wand
Mit dem Gedanken, die Gitarre als Erinnerungsstück an die Wand zu hängen, wollte sich Adriano keineswegs abfinden. Der einzige Ausweg schien, den Hals komplett zu tauschen. In dem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Neck, den die Gitarre beim Kauf hatte, gar nicht der war, mit dem die Gretsch 1959 die Produktion verlassen hatte. Er wurde vielmehr irgendwann gegen einen ab der Mitte der Sechzigerjahre werkseitig verbauten Hals getauscht – für Gretsch-Kenner an einem kleinen quadratischen Schildchen auf der Kopfplatte der Gitarre zu erkennen. Dass an der 6120 nicht der baujahrgerechte Hals war, hatte man seinerzeit bei Charing Cross Music verschwiegen. Auch sonst gab es Abweichungen von der Serie. Dass die Gretsch quasi zusammengebastelt war, mag auch eine Grund für den verhältnismäßig günstigen Preis gewesen sein. Alte 6120 waren in der Regel schon damals richtig teuer und in rundum originalem Zustand wohl kaum für 2500 Mark erhältlich. Nicht auszudenken, was heute dafür hingeblättert werden muss.
Noch eine Schüppe Dramatik oben drauf!
Eine komplette Restauration der Gitarre schien der richtige Weg zu sein. Doch woher einen originalen Hals bekommen, wie er an der 1959er 6120 verbaut ist? So ein Teil findet sich nun wirklich nicht an jeder Ecke. Niemand konnte helfen. Selbst Gretsch nicht, obwohl Adriano als zweimaliger “Gretsch featured Artist“ die besondere Aufmerksamkeit der Company genießt und bereits eine 6120 in “Green Tiger Flame“ speziell für ihn als Einzelstück gebaut wurde. Irgendwann tauchte dann aber doch im Netz ein Hals auf, der verwendbar zu sein schien. Ein Händler in Australien hatte eine 1962er Gretsch ausgeschlachtet, die über einen dem 1959er-Modell nahezu entsprechenden Neck verfügte. Die glückliche Wende? Fehlanzeige, es sollte noch eine Schüppe Dramatik oben drauf kommen! Trotz Adrianos Kaufzusage war der Hals nicht auffindbar. Erst einige Monate später tauchte er dann doch noch auf.
Freie Bahn für weitere aufregende Episoden
Noch mehr Dramatik gefällig? Kein Problem, die Geschichte der 6120 gibt jede Menge davon her. Der alte Hals konnte beim besten Willen nicht aus dem Korpus gedampft werden, da unergründbar war, welcher Leim vor 15 Jahren für die Reparatur verwendet wurde. Doch nun endlich die glückliche Wende: Dem sehr fähigen Gitarrenbauer Stefan Zirnbauer von der Munich Guitar Company gelang es, den Hals aus dem Body der Gretsch zu sägen, worauf der australische Neck verleimt werden konnte. Zuvor war es noch notwendig, den Halsfuß zu verlängern, da der 1962er Neck in diesem Bereich nicht exakt dem Hals von 1959 entspricht. Zur Perfektionierung wurde eine Neubundierung vorgenommen und fehlende Einfassungsstücke sowie Bundmarkierungen erneuert. Auch stand der Tausch von Brücke und Schlagbrett auf der To-do-Liste, um die Gitarre wirklich kompromisslos weitestgehend in den Werkszustand zu versetzen. Dem mit Gitarren gut vertrauten Auge dürften allenfalls die Locking-Tuner auffallen – eine zeitgemäße Stimmknopfvariante zur Verbesserung der Stimmstabilität, auf die Adriano nicht zuletzt wegen dem Bigsby-Vibrato der Gretsch keineswegs verzichten wollte. Nach dem erfolgreichen Neck-Reset konnte das Fazit nur lauten: Ende gut, alles gut. Oder noch besser gesagt: Freie Bahn für weitere aufregende Episoden in der Story von Adrianos (Gitarren-)Liebe fürs Leben …