Horatio schrieb:
Wir hier auf dem Land, wir vertragen wirklich eine Menge Alkohol. Der berühmte selbstgebrannte Schwarze Hollergeist zählt in diesem Sinne allerdings nicht wirklich zu den Alkoholika sondern eher zu deklarierpflichtigem Gefahrgut oder dient der Einspritzung für Hot Rod Traktoren.
Wir haben mal einen streunenden Hund gefangen, ihm (aus medizinischen Gründen) etwas schwarzen Hollergeist schlürfen lassen und ihm dann (aus Forschungsinteresse) ein brennendes Streichholz vor den Hintern gehalten.
Er ging mit einem heulenden Geräusch ab wie ein aufgeblasener Luftballon, den man nicht zugeknotet hat und schlug mehrere Schneisen in Waldgebiete sowie Getreidefelder, deckte einen Haufen Dächer ab und verursachte auch sonst allen möglichen üblen Schaden. Eigentlich war es der Hund von H.B. und er hieß Kirill, aber Nic war der Ansicht, dass er auf jeden Fall bei uns auf dem Hof herumgestreunert ist, also war es in dem Sinne ein streunender Hund.
Das gute an der Sache war, dass wir für die verwüsteten Felder von der EU eine Entschädigungssumme erhielten, welche die Zuwendungen für Kornkreise und Wildgansschäden weit in den Schatten stellte. Der Bauernverband hat uns darauf hin zu Ehrenmitgliedern auf Lebenszeit ernannt.
Also merke: Schwarzer Hollergeist ist selbst für unsereins sagen wir mal “unbekömmlich”. Wenn auch lustig. Most hingegen hat auf uns in etwa die gleiche Wirkung wie unser Bachwasser. Wenn man zuviel davon trinkt, also etwa 8 Liter, wird einem manchmal schlecht. Bis dahin ist es aber okay.
Nichtsdestotrotz sind uns die Bundesgesetze bekannt, die den Promillewert auf Wegen betreffen, die der sogenannten Straßenverkehrsordnung unterliegen. Für unseren Stichweg gilt diese Ordnung nicht. Jenseits davon gilt zunächst die Ordnung unserer Kreispolizeiwache. Ich glaube, diese besagt ganz eindeutig, dass man ein oder zwei Augen und gegebenenfalls auch die Hühner- und Kartoffelaugen zudrücken darf, wenn jemand einen überhöhten Promillewert hat. Vorausgesetzt, dass man sich kurz vor der Weihnachtsfeier der Kreispolizeiwache daran erinnert, dass die Jungs schlecht bezahlt werden und eine großzügigere Spende nicht für unangemessen hält. Außerdem, meine Güte, wir waren zusammen in der Zwergschule!
Über das Hoheitsgebiet unserer Kreispolizei hinaus muss endlich aber auch unsereins vorsichtig sein, wenn man in ein Röhrchen pusten muss. Da Nic und ich jetzt schon einiges an Apfelmost intus hatten, ergab sich ein neues Problem: WER FÄHRT nach Dannekenhoog? Denn Dannekenhoog liegt außerhalb des Territoriums der uns an sich wohl gesonnenen Kreispolizei.
Der einzige, der zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich seines Alkoholpegels noch fahren konnte war … Öppa. Ach, was soll ich sagen? Das war leicht.
“Öppa, fährst du dann nach Dannekenhoof?”
“Höhöhöhö, jajajaja!” und die Sache war geritzt.
Wir packten Öppa in ein paar Decken, denn der Oktober war wirklich kalt und nass dieses Jahr. Die Tiere waren fast alle gefüttert und außerdem planten wir ja bis abends wieder daheim zu sein – wenn auch ohne Öppa.
Dann ging es raus zum Trekkerfuhrpark im großen Schuppen. Für den allgemeinen Strassengebrauch und zum Einkaufen benutzen wir meist unseren Hot Rod Trekker. Mit einem landwirtschaftlichen Nutzfahrzeug hat der nur noch wenig gemein. Den habe ich in liebevoller Arbeit vorne tiefer und hinten höher gelegt, das Dach habe ich abgeflext, der Motor liegt offen und ist natürlich verchromt, matt schwarz gerollt die Karosserie und es ist ein Turbo-Diesel, mit Schwarzer-Hollergeist-Einspritzung, die man auslöst indem man einen bestimmten versteckten Hebel betätigt. Außerdem habe ich eine Hifi-Anlage eingebaut, die mehr gekostet hat als der Traktor selber.
Das mag etwas zu modern und nicht stilecht sein, aber wenn man denn schon mal unbedingt in die Stadt fahren muss und irgendein Hip Hop oder Techno Kid versucht einem mit seinen überlauten Bassboxen Herzrhythmusstörungen zu verursachen … oh, Mann! Wenn ich dann “THANK GOD, I‘M A COUNTRY BOY!” von John Denver rausblasen lasse, so dass dem die Frontscheibe platzt, dann habe ich schon einen inneren Durchmarsch.
Wir hievten Öppa also in den Fahrersitz und schnallten ihn an. Wir selber nahmen auf den nach hinten ausklappbaren Notsitzen am Heck Platz. Nicht ohne uns für die Fahrt vorher ein paar Blechkanister Apfelmost abzufüllen.
“Öppa, kommst Du vorne klar?”
“Höhöhöhö, jajajaja!”
Mit dem Trekker fahren ist es wie mit dem Schwimmen – man verlernt es nie. Man sagt hier bei uns: “Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist die Badehose schuld!” Insofern hatte Öppa keine Schwierigkeiten mit dem Traktor, denn er trug keine Badehose. Abgesehen von ein paar kleinen Unwägbarkeiten ging unsere Fahrt dann auch erst mal unproblematisch vonstatten.
Da Öppa zuerst den Rückwärtsgang einlegte, hätten wir fast unser irdisches Ende an der Rückwand des Schuppens gefunden, aber im letzten Moment bekam er doch noch einen Vorwärtsgang rein und rettete unser Leben, auch wenn wir vermuten, dass letzteres nicht unbedingt seine Absicht war.
Dann hätten wir vielleicht vor dem Anlassen des Traktors die Flügeltore unsres Schuppens öffnen sollen. Da dies unterlassen worden war, versperrte eine der aus den Angeln gerissenen Torhälften Öppa zunächst die Sicht, weil sie sich vorne am Trecker verhakt hatte. Er nahm aus diesem Gunde nicht unsere Ausfahrt zum Stichweg sondern fuhr zunächst hinter dem Silo vorbei, über das Kohlfeld “Weißrussland”, dann über die Schlafmohnwiese und ein Stück durch den Wald, wo die Türe sich zum Glück im Unterholz verfing und zurückblieb, so dass
Opa das Waldstück schlussendlich in Richtung Stichweg verlassen konnte.
Mit 30 Meilen die Stunde ging es dann weiter in Richtung Dannekenhoog. Vom Stichweg fuhren wir auf die Landstraße und über die Dörfer bis wir die Bundesstraße erreichten. Rasch bildete sich dort eine Schlange von Personen- und Lastkraftwagen hinter uns. Die freuten sich und winkten und riefen uns Sachen zu. Nic und ich saßen ja mit Blick nach hinten. Als wir aber das Gefühl hatten, dass einige Fahrer unhöflich wurden, baten wir Öppa, doch mal Musik zu machen.
Und hier kam Big Al Downing: “YOU MIGHT THINK I’M A CRAZY FOOL, BUT I SAW A HORSE DOIN’ THE BOP WITH THE MULE – DOWN ON THE FARM!”
Mit geplatzten Frontscheiben ist nicht gut zu fahren, deswegen blieben unsere neu gewonnenen Freunde bald hinter uns zurück. Nic und mich regte das alles nicht mehr auf. Wir hatten inzwischen die 8 Liter Most überschritten.
Irgendwann schliefen wir aus nicht weiter geklärten Gründen ein.
Fortsetzung folgt
Und noch immer ist nicht raus, ob und auf welche Art das Öppa-Problem gelöst wird. Die Spannung steigt. Schreib bitte schnell weiter.
Hey, setz noch mehr rein. Will wissen, wie`s weitergeht. Coole Story, kann das etwa noch besser werden? Schnell her mit der Fortsetzung.