Horatio XVII/2

Horatio schrieb:

Ein Ritt ohne besondere Vorkommnisse

So, Nic und ich würden also in die Stadt reiten um ein … äh … „Fämsegrät“ zu kaufen und gegen Abend wollten wir wieder zurück sein. Bei dem dichten Nebel in der Welt da draußen mochte es nämlich ungesund sein, mit einem durch einen Verbrennungsmotor angetriebenen Fortbewegungsmittel zu reisen. Zumindest, wenn es kein Radargerät auf dem Dach hatte. Zwar kennen wir die Wege hier sehr gut, aber die Vorkommnisse der letzten Monate hatten uns insgesamt doch vorsichtiger werden lassen.

Wir wollten nicht Gefahr laufen, mit unserem Gefährt in irgendein künstliches Hindernis zu brettern, damit eine bewaffnete Frau in rosa Plüschpantoffeln und Lockenwicklern uns wieder irgendwelcher selbst erfundener Untaten bezichtigen konnte. Zwar glaubten wir, dass die betreffende Person und ihr Mann noch damit beschäftigt waren, ihre offenen Wunden mit Brandsalbe einzuschmieren, aber man kann nie wissen.

Es schien uns daher das beste, Parmenides und Popper zu satteln und damit zur nächsten Bahnhofsstation zu reiten, um von dort mit dem Zug weiterzufahren

Das ist ziemlich weit, durch unsere Gegend verläuft nämlich kein Schienenstrang. Im Gegensatz zu den amerikanischen Ureinwohnern verteidigten die Eingeborenen hier ihr Land einstmals erfolgreich gegen die Eisenbahnpioniere. Von diesem heldenhaften Kampf sollte ich bei Gelegenheit noch mal ausführlicher berichten. Der berühmten Stammesführerin Faust Panenbeker ist darum in Luettentrop ein Denkmal errichtet worden, der sogenannte „Totenpfahl“ (Doch, doch der heißt so, mit „n“. Ein Totempfahl ist was anderes, wie mir Nic in ihrer unermesslichen Weisheit einmal erklärte. Den Grund für den Namen des Denkmals kann man sich mit etwas Phantasie selbst erklären.). Als der heroische Zwist bereits ein Weilchen währte, versetzten allein bestimmte Ausrufe der Freiheitskämpfer (Eigentlich kämpften sie um ihre Besitztümer, aber wenn man unter diesem Gesichtspunkt die Weltgeschichte betrachtet, darf „Freiheit“ durchaus mal als Synonym für „Alles was mir gehört und nicht dir“ verwendet werden.) wie „DIE Faust Gottes wird dich treffen!“ „Pass auf, sonst zeig’ ich dir DIE Faust!“ oder „Gleich lass ich dich DIE Faust schmecken!“ die Landvermesser und ihre Söldner derart in Angst und Schrecken, dass sie oftmals blindlings die Flucht ergriffen. Daher kommt übrigens auch die Redewendung „die Faust sprechen lassen“ denn DIE Faust ist auch bekannt für Ihre denkwürdige Rede an den König von Preußen, die ungefähr so lautete:

„Erst wenn der letzte von Euch seine Haxen von unserem Land genommen hat, erst wenn der letzte Bach hier rot von Eurem Blute ist, erst wenn ihr begreift, dass der Hund sich deshalb die Eier leckt, weil er es eben kann, werdet ihr begreifen, dass uns unser Geld und Land ziemlich wichtig sind.“

Die Faust fügte hinzu: „Außerdem fresst meinen Furz!“ was eine ernsthafte Drohung war, aber das wurde nicht in den Geschichtsbüchern vermerkt, ebenso nicht, dass die Faust gerne respektable Mengen schwarzen Hollergeistes konsumierte, was nicht bedeutete, dass sie diesen auch gut vertrug.

Zurück zu uns und unseren Pferden. Da unsere Pferde sich im Dunkeln und bei Nebel noch viel besser zurechtfinden als wir, denn sie verfügen sozusagen über einen natürlichen Radar und über exzellente Sinnesorgane, waren sie die erste Wahl.

Hinsichtlich des Rosafarbenen Grauens aus der mittelbaren Nachbarschaft, steckten wir jeder eine schwere Handfeuerwaffe in die Latzhose, die Kaliber .600 Nitro Express verschießt.

Wir glaubten wirklich gut vorbereitet zu sein. Dabei wäre es ungewöhnlich gewesen, wenn wir nicht wieder etwas vergessen hätten, aber dazu später. Nachdem wir uns versichert hatten, dass die Tiere versorgt waren sowie dass alle Sprengfallen, Fallgruben- und Drähte, Selbstschussanlagen, Landminen und Starkstromzäune scharf waren, ritten wir auf den Stichweg hinaus. Der Nebel nahm Nic und mir im Großen und Ganzen die Lust zu einem fröhlichen Geplauder und so ritten wir eine Weile schweigend nebeneinander her.

Dann hörte ich Parmenides sagen:

„Auch wenn du nicht mehr mit mir sprichst, Popper, so bleibt dir doch nichts übrig, als mir zuzuhören.“

„Ich hör gar nix. Lalalalala.“

„Doch!“

„Nö.“

„Siehste?“

Popper ließ einen gewaltigen und sehr bassbetonten Pferdefurz ab. Da wir inzwischen parallel zum nahe gelegenen Kanal ritten, mochte dort der Kapitän irgendeines Kohlenkahns hart Steuerbord gedreht haben, der meinte, das Nebelhorn eines sehr nahen Gastankers zu hören. [Gas-Tanker, nicht Gast-Anker, der Verfasser merkt dies an, da eine Verwechslung sowohl in der Hochsee- als auch der Binnenschifffahrt letale Folgen haben kann (der Verfasser möchte überdies anmerken, dass er sich in diesem Leben nicht mehr an drei „f“ in Schifffahrt gewöhnen wird)]

Parmenides ließ sich davon nicht beeindrucken: „Pythagoras hat gesagt, man soll keine Bohnen essen.“

„Pythagoras ist so ein Spinner! Ich habe noch nie so einen angeberischen Stutenheld gekannt. Pferde essen außerdem keine Bohnen.“

„Eben! Da kannst du sehen, wie gewichtig seine Worte im Stall sind.“

„Unsinn! Weißt Du noch, wie er behauptete, er kenne ganz sicher das Geheimnis des Universums, immer wenn er Trunkelbeeren gefressen hatte.“

„Kannte er bestimmt auch.“

„Dummerweise nicht mehr, wenn er wieder bei Sinnen war und sprechen konnte. Dann hatte er es nämlich immer schon wieder vergessen.“

„Aber wenn er stoned war, wusste er es. Dann hatte er nämlich ein erweitertes Bewusstsein.“

„Meinst nur Du. Er hat dann einmal Trunkelbeeren gefressen und unter großen Mühen versucht, mit den Hufen seine Erkenntnisse in den Sand zu schreiben, damit er es lesen kann, wenn er wieder aufwacht.“

„Und was stand da?“

„Es riecht alles durchdringend nach Hollerfurz.“

„Oh.“

„Soviel zu Pythagoras.“

„Er kann aber gut rechnen.“

„Weil er damit rechnet, dass er so bei den Stuten gut ankommt?“

„Meinst du mit „Stuten“ Weißbrote oder Pferdefrauen?“

„Von der Intelligenz her ist das doch dasselbe.“

Über diesen, wie ich fand, blöden Kalauer wieherten die beiden eine ganze Weile lang laut.

„Ich wieher’ mich kaputt!“ meinte Parmenides.

„Spaß muss auch mal sein.“ antwortete Popper.

„Ja, ein Lob der Torheit! Vertragen wir uns wieder?“

„Na klar, Pferd. Wir sind doch keine Tiere.“

„Wie die beiden hier.“

„Ja, genau.“

Jedenfalls schienen sie nicht zu wissen, dass ich jedes Wort verstand. Der Nebel wollte sich unterdessen nicht lichten und wir hatten immer noch ein ganzes Stück Wegs vor uns.

Fortsetzung folgt