Automobile Archäologie
Seit dem letzten Rumble59 Magalog wisst ihr in punkto German Hot Rod Clubs bescheid. Heute reisen wir in die Dreißiger und Vierzigerjahre zurück, in die Anfangszeit des organisierten Hot Roddings.
Entgegen der landläufigen Stammtischmeinung ist das Hot Rodding keine Errungenschaft der Fifties. Die ersten Anfänge zeichneten sich bereits in den Roaring Twenties ab, ehe sich in den Dreißigern die ersten Clubs gründeten und die Sache in den Fünfzigern lediglich richtig groß wurde, um bereits in den Sechzigern wieder von den Factory Hot Rods, den Muscle Cars abgelöst zu werden. Hot Rodding war somit vorm Rock’n’Roll da, ist älter als der King und war bereits von Zuhause ausgezogen, als sich die breite Masse erst in den Fifties Amerikas heißester Benzin-Bewegung anschloss. Für euch sind wir in die staubigsten Ecken des Archivs hinabgestiegen, um zumindest die wichtigsten der ältesten Hot Rod Clubs für eine kleine Übersicht ans Tageslicht zu zerren, damit Ihr am Tresen ein paar Sachen grade rücken könnt.
1. Outriders
Um keinen Hot Rod Club der Automobilgeschichte ranken sich mehr Mythen als um die Outriders. Der älteste Hot Rod Club der Welt wurde bereits 1932, dem Jahr, als das legendäre Ford Five Window Coupe noch ein Neuwagen war, von einer handvoll Dry Lake Racern gegründet und man traf sich fortan in Los Angeles hinter der Rio Grande Tankstelle am Santa Monica Boulevard, über welchen damals die Route 66 führte. Bei den in den Achtigerjahren wieder gegründeten Outriders handelt es sich wie bereits in den Dreißigern um eine Art Gentlemens Club, in dessen Reihen Verkehrsrowdys und Rat Rods keinen Platz haben und dessen Mitgliederzahl auf 50 begrenzt ist.
Die meisten Outriders sind solvent, prominent oder beides und dementsprechend aseptisch perfekt sind die Autos. Coolerweise sind sie so oldschool, dass sie selbst im Jahr 2014 im Internet so gut wie gar nicht vertreten sind. Einmal im Jahr findet das Outriders Picnic in Kalifornien statt, zu welchem sowohl Teilnehmern als auch Besuchern nur nach persönlicher Einladung Zugang gewährt wird.
2. Knight Riders
Die Knight Riders aus Fullerton / Kalifornien waren der wildeste Club der Dreißiger. Zum ersten Treffen kamen am 5. November 1934 19 halbstarke Speedfreaks zusammen. Bereits im Folgejahr zählte man 34 Mitglieder, die acht Roadster, vier Sedans und diverse Coupés besaßen. Die stets mit schwarzen Lederjacken, auf deren Rücken sich ein Clubpatch befand, auftretenden Knight Riders, waren berühmt berüchtigt für ihre wilden Parties. Und wie überall im Leben gibt es Knatsch, wenn Alkohol, Frauen und Swingmusik im Spiel sind. Bereits im Mai 1935 war eine Neuausrichtung des Clubs nötig, wonach es nur noch 16 Mitglieder gab, die sich der Kernsache verschrieben. Trotzdem wurde hart weiter gefeiert.
3. Gophers
Gopher bedeutet im Deutschen Erdhörnchen oder Laufbursche. Ob sich die Jungs bei der Gründung des drittältesten Hot Rod Clubs 1936 eher für Nagetiere oder Niedriglohnjobber hielten, ist nicht überliefert. Die Gophers waren mit die ersten Member der SCTA, der Southern California Timing Association, die sich als neutrale Zeitnahmeinstanz auf den Salzseen des Südwesten etablierte.
4. Night Flyers
Im Gegensatz zu den Knight Riders aus Fullerton war man bei den Night Flyers aus Pasadena in erster Linie an Motorsport und Bestzeiten anstatt an Mädchen und Thekensport interessiert. Wer ein Mitglied des 1937 gegründeten Clubs werden wollte, der musste mindestens 75 Prozent der Alt-Member überzeugen und dessen Kiste musste schneller als 90 Meilen, also umgerechnet 145 km/h pro Stunde fahren. 145 km/h waren Ende der Dreißigerjahre ein Pfund. Die wenigsten Fahrzeuge erreichten überhaupt dreistellige Geschwindigkeitsregionen und wenn, dann hatte man angesichts schwacher Trommelbremsen ohne Bremskraftverstärkung und trampeligen Blattfedern, die nicht immer Fahrbahnkontakt garantierten, ohnehin keine Lust, sich lange jenseits von 100 km/h aufzuhalten. Bei den Night Flyers herrschte Zucht und Ordnung. Wer den Wochenbeitrag von 25 Cent nicht in die Clubkasse einzahlen konnte, flog achtkantig raus und eine Mitgliedschaft verpflichtete mindestens einmal jährlich mit seinem Schlitten an einer offiziellen SCTA-Rennveranstaltung teilzunehmen.
5. Road Rebels
Die Road Rebels gründeten sich wie viele Clubs im Jahr des ersten großen Hot Rod Booms 1937 und waren anfangs nichts unbedingt Außergewöhnliches. Dies sollte sich 1946 ändern, als Road Rebels Member Bill Burke die anwesenden Racer auf dem El Mirage Salzsee nervös machte.
Bill, der während des Zweiten Weltkriegs als Flugzeugmechaniker bei der Pazifikflotte diente, übertrug sein berufsbedingtes Wissen über Auftrieb, Abtrieb und Aerodynamik auf Hot Rods und pflanzte einen Ford Flathead in den Zusatztank einer P-51 Mustang und schraubte dem Zäpfchen Ford Starrachsen drunter. Der erste Belly Tank der Geschichte war geboren, Bill brannte sagenhafte 132 mph, also 212 km/h (!), ins Salz und bescherte seinem Club Ruhm und Ehre. 2009 präsentierte Carnerd Geoffrey Hacker aus Tampa/Florida der versammelten Gemeinde während der Bonneville Speedweek eine detailgetreue Replika des ersten und längst verschollenen Belly Tank Racers der Welt, sehr zur Freude des hoch betagten Erfinders dieser Fahrzeuggattung, Bill Burke.
Über achtzig Jahre Hot Rodding und kein Ende in Sicht. Die Outriders sind noch immer am Start, Clubs wie die Hot Heads East, Rumblers, Road Devils und zig andere führen das Erbe weltweit fort. So sehr auch alle immer über Spritpreise, TÜV-Prüfer und Umweltzonen motzen, das Hot Rodding hat schon einen Weltkrieg, die Disco-Ära und die Markteinführung des PT Cruiser überlebt. Ich mach’ mir da um die nächsten achtzig Jahre ursprünglicher Beschleunigung keine Sorgen.
Text: Norman Gocke