Jerry Lee Lewis – skandalträchtige Heirat
Mit der skandalträchtigen Heirat seiner 13jährigen Kusine endet in vielen Biografien die musikalische Karriere von Jerry Lee Lewis. Erwähnung findet höchstens noch das vielgelobte Album “Live at the Star Club Hamburg” von 1964. Dieses gilt nicht umsonst als eine der besten Liveaufnahmen der Musikgeschichte. Keine Platte der 50er und 60er Jahre fängt die manische Energie, mit der Jerry Lee Lewis jedes seiner Konzerte in eine Rock´n´Roll-Messe verwandelte , so ein wie dieses Zeitdokument aus dem legendären Liveschuppen auf der Reeperbahn.
Wer aber nun gängigen Darstellungen glaubt und die Karriere des Killers damit am Ende sieht, täuscht sich gewaltig. Wie sich bald zeigen sollte, hatte der Exzentriker noch ein As im Ärmel.
Die Wiedergeburt von Jerry Lee Lewis
Schon in seiner Kindheit hatte Jerry Lee Lewis, wie viele späteren Rockabilly- und Rock´n´Roll-Stars, viel Countrymusik gehört, bevorzugt den “Father of Country Music” Jimmie Rodgers. So war es nicht abwegig, dass er in den 60er Jahren, nachdem ein Comeback als Rocker nicht so recht in Fahrt kommen wollte, zum Soundtrack seiner frühen Jahre zurückkehrte.
1968 begann die zweite Karriere des Killers und während sie in Europa kaum wahrgenommen wurde, stellte sie sich in den USA als erfolgreichste Phase im Leben des Pianisten und Sängers heraus. Sie begann mit “Another Place, Another Time” und dauerte bis hinein in die 80er-Jahre. Auf rund 30 Country-Hits kann Jerry Lee Lewis mittlerweile zurückblicken. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um gemächliche After-Hour-Balladen wie “To Make Love Sweeter To You” oder “Would You Take Another Chance On Me”. Aber auch der humorvolle Rockabilly-Klassiker “Chantilly Lace” aus der Feder des Big Boppers landete in der Version von Jerry Lee Lewis erneut in den Charts.
Das Privatleben des Stars blieb turbulent
Während Jerry Lee Lewis musikalisch manche Wendung in seiner Karriere durchmachte, blieb das Privatleben des Stars konstant turbulent. Am Ende sollte er es auf sieben Hochzeiten bringen, doch Zahlen allein lassen keine Rückschlüsse auf die Tragödien zu, die sich dahinter verbergen. Zwei seiner Kinder verlor Lewis im Rahmen tragischer Unfälle – ein Sohn ertrank, der andere starb bei einem Autounfall – und auch zwei Exfrauen des Killers ereilte ein tragischer Tod. Dazu kam noch, dass der Sänger 1976 bei der Feier seines 41. Geburtstags versehentlich seinem Bassisten in die Brust schoß. Dieser überlebte den Unfall glücklicherweise.
Dass Lewis selbst noch am Leben ist und immer noch die weißen und schwarzen Tasten bedient, grenzt an ein Wunder. Schließlich schrammte der Künstler schon im Rahmen eines Magengeschwürs und anschließender Blutung nur knapp am Tod vorbei und auch seine Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten ließ ihn zum Dauergast in Krankenhäusern werden.
Späte Höhepunkte einer Rock´n´Roll-Karriere
Als Dennis Quaid den Killer 1989 im Film “Great Balls of Fire” verkörperte, dachten wieder einmal viele, das sei das letzte Mal, dass Jerry Lee Lewis eine breite Öffentlichkeit genießen würde. Doch scheint es, als wollte der Teufel einem seiner treuesten Hofmusiker eine besonders lange Karriere bescheren. Mit “Last Man Standing” veröffentlichte der mittlerweile über 70 Jahre alte Killer, der 1986 in die Rock´n´Roll Hall of Fame aufgenommen worden war, 2006 ein beeindruckendes Album. Dieses klingt nicht nur so frisch, als sei Rock´n´Roll gerade erst aus der Taufe gehoben worden. Es wurde auch zum meistverkauften Werk der Rocklegende.
Auch der Nachfolger “Mean old Man” erwies sich als erfolgreich. An beiden Alben ist eine ganze Riege an hochkarätigen Gaststars beteiligt, von Keith Richards über John Mayer bis hin zu Bruce Springsteen. Erstaunlich dabei ist weniger die Tatsache, dass die Prominenz angeblich ganz wild darauf war, an der Seite von Jerry Lee Lewis aufzunehmen, als vielmehr, wie Jerry Lee Lewis diese Alben trotz aller Stargäste scheinbar mühelos zu seinen eigenen macht – und dabei rockt, als ob der Teufel ihm ein zweites Leben geschenkt hätte. Rock´n´Roll und Countryfans dürfen darauf vertrauen, dass dieses noch eine ganze Weile dauert.
Text:Johannes Jooß
Bilder: picture courtesy of Jerry Lee Lewis: www.jerryleelewis.com