Die Geschichte des Moonshine ist untrennbar verbunden mit denjenigen, die ihn transportierten – bei Nacht und Nebel und oft mit einem eifrigen Gesetzeshüter knapp hinter der eigenen Stoßstange. Heute sind die Überlebenden der ehemaligen “Moonshine Runners” längst im Ruhestand. Doch als wagemutige Alkoholschmuggler und Urheber der Stock Car Races haben sie für manche einen legendären Status.
Steuerfreier Alkohol – Geschäft mit trockenen Kehlen
Das eigene Herstellen von Alkohol in versteckten Hinterhofdestillen war schon lange vor der Prohibition beliebt in den USA. Vor allem in der schwer zugänglichen Wildnis der Appalachen produzierten viele Farmer mehr oder weniger bekömmlichen Schnaps, um ihre Einkünfte aufzubessern und ihr hartes Leben etwas leichter zu machen. Dass manche Bundesstaaten bereits vor dem Ersten Weltkrieg alkoholische Getränke verboten, machte die Sache umso einträglicher.
So richtig Fahrt nahm das Geschäft mit Selbstgebranntem allerdings erst mit dem 16. Januar 1920 auf. An diesem Tag trat der Verfassungszusatz in Kraft, der ganz Amerika das Trinken ein für allemal austreiben sollte.
Bekanntlich scheiterte dieses Experiment genauso spektakulär wie es begonnen hatte. Statt zu unendlicher Nüchternheit führte es zu einem florierenden Alkoholschmuggel und reger Nachfrage nach selbst gebranntem Fusel, auch wenn dessen Genuss oft mit dem Verlust der Sehkraft oder sogar des eigenen Lebens einherging. Für die Moonshiner in ihren abgelegenen Höfen bedeutete diese Entwicklung ein Riesengeschäft.
Dieses Geschäft war auch dann nicht vorbei, als das Ende der Prohibition besiegelt wurde. Zwar war das Trinken jetzt weitgehend wieder legal. Doch viele passionierte Trinker zogen immer noch den steuerfreien, spottbilligen und garantiert starken Moonshine offiziell erhältlichen Spirituosen vor. Damit hatten die Moonshiner weiterhin alle Hände voll zu tun.
Moonshine Runners – Illegaler Alkoholtransport mit Ford
So zufrieden die Moonshiner damit waren, dass ihr Handwerk weiter gefragt blieb, so wenig erfreut davon war der Staat. Denn schließlich spülte steuerfreier Schnaps kein Geld in die Staatskasse. Also entsandten die Behörden noch viele Jahre nach Ende der Prohibition Bundesagenten aus, um dem Treiben ein Ende zu bereiten.
Dabei war es alles andere als leicht für diese, die gut versteckten Distillen mitten im Wald ausfindig zu machen. Höher standen die Chancen, den Alkohol beim Transport in die Städte abzufangen. Damit dies nicht passierte, heuerten die Moonshiner sogenannte “Moonshine Runners” an, Männer, die bereit waren, in tiefer Nacht einige Hundert Kilo illegalen Alkohol über einsame Landstraßen zu transportieren.
Für diesen Job brauchte es nicht nur ein gehöriges Maß an Risikobereitschaft, sondern auch ein Auto, das noch schwer beladen jedes Polizeifahrzeug hinter sich ließ. Gleichzeitig musste es möglichst unscheinbar aussehen. Schließlich gilt noch heute: Den Kokainschmuggler vermutet man eher im Ferrari als im Fiat Panda.
Ein Gefährt, das ideale Voraussetzungen für Moonshine Runners mitbrachte, war das 1940 Ford Coupé. Das war eine Zeitlang weit verbreitet auf Amerikas Straßen, hatte einen großen Kofferraum und einen leistungsstarken V8-Motor. Außerdem war es gut geeignet für Umbauten – und auf die verzichtete kaum ein Moonshine Runner.
Alkohol auf der Rückbank, den Tiger im Tank
Schnell, schneller, am schnellsten – für Moonshine Runners war Geschwindigkeit ein entscheidendes Kriterium. Um in dieser Hinsicht Höchstleistungen möglich zu machen, bauten sie zusätzliche Vergaser ein, erweiterten ihren Wagen um Turbolader oder tauschten gleich den Motor aus, am liebsten gegen den eines Cadillac Rettungswagens, der einige Zeit der größte seiner Art war.
Das Resultat solcher Tuningmaßnahmen war bemerkenswert, glaubt man Erinnerungen der ehemaligen Moonshine Runners. Demnach kamen diese auf Geschwindigkeiten von über 180 Meilen pro Stunde, wenn nötig. Nötig wurden solche Höchstleistungen immer dann, wenn sich ein Gesetzeshüter an das Heck des eigenen Wagens heftete. Dann hieß es entweder schneller sein oder ins Gefängnis wandern. Die Folge waren halsbrecherische Verfolgungsjagden bei tiefer Dunkelheit. Dabei griff manch ein Moonshine Runner auf 007-taugliche Gadgets an seinem Wagen zurück, um den Verfolger abzuschütteln oder in den Graben zu befördern. Das schloss Schalter ein, mit deren Hilfe sich die eigenen Rücklichter und Bremsleuchten abschalten ließen.
Einige Fahrer setzten in besonders kritischen Momenten auf eine plötzliche 180-Grad-Drehung und fuhren in entgegengesetzter Richtung an ihrem Verfolger vorbei. Hotrod-Legende Junior Johnson trieb dieses Manöver auf die Spitze, indem er direkt Kurs auf den Agenten hinter ihm nahm, bis dieser in Todesangst auswich – und dabei meist von der Straße abkam.
Vom Moonshine Running zum Stock Car Racing – die Geburt von NASCAR
Sich mit Vertretern der Behörden zu messen, war Moonshine Runners bald nicht mehr genug. So gingen sie dazu über, in ihrer Freizeit in Rennen gegeneinander anzutreten. Zunächst handelte es sich dabei um mehr oder weniger spontane Veranstaltungen irgendwo auf offenem Gelände. Doch schon bald sahen geschäftstüchtige Promoter und solche, die es werden sollten, das finanzielle Potenzial dieser Hobbyrennen und machten daraus öffentliche Veranstaltungen.
Schließlich entstand auf diese Art 1947 die National Association for Stock Car Auto Racing, kurz “NASCAR”. Damit wurde aus einem halsbrecherischen Hobby ein Sport mit offiziellen Regeln. Einige Fahrer, die schon als Moonshine Runners kleine Berühmtheiten gewesen waren, stiegen in diesem Sport zu Stars auf, darunter besagter Junior Johnson. Das hielt sie nicht immer davon ab, weiter Alkohol zu schmuggeln, selbst wenn das dazu führte, dass sie die eigene Karriere für einen Aufenthalt im Gefängnis unterbrechen mussten. Auch Nervenkitzel kann eben süchtig machen.
Fotos:
Moonshining – Kentucky – Revenue Man – Project Gutenberg 13181 von Francis Rolt-Wheeler/Public Domain
Policeman and wrecked car and cases of moonshine von unbekanntem Fotografen/Public Domain
Ford 1940 V8 Coupe von Paul Horn/CC BY 2.0
Titelbild:
Moon shine runner von Wendy/CC BY-SA 2.0