Gegen die standardisierte Welt – Zu Gast in Phils Garage
Ja, wissen wir doch. Für viele Normalsterbliche ist der Knudsen Taunus mehr so George Baker Selection anstatt Bill Haley and his Comets, weil er in den Siebzigern, dem Jahrzehnt von Disco-Funk und modischen Abartigkeiten gebaut wurde. Doch Baujahresgrenzen sind doch was für Gartenzaunfreaks. Long Hood, short Deck. Der von 1970 bis 1975 rockt definitiv mehr als der pimpige Weltkugeltaunus aus den Fifties.
Aber in diesem Fall geht es gar nicht um Fifties vs. Seventies, Disco gegen Rock, Opel ist besser als Ford, Gartenzaun im Schwarzwald oder Trailerpark in Palm Desert. Hier geht’s um Phil Fitschen, dem Halter des sandfarbenen Coupés mit den dicken Pellen.
Auch wenn es viele versuchen: ein cooler Schlitten kann eine langweilige Persönlichkeit nicht kompensieren. Phil wäre auch mit einem Twingo unterm Carport der coolste Typ in Passau. Für Phil stehen Cruising, Rumposen und perfekte Spaltmaße ganz weit hinten. Ihm geht’s um den Urgedanken der Altauto-Szene, um’s Schrauben und Schweißen an sich. Eine Einstellung, die im Internetzeitalter, in der jeder ach so coole Agenturtyp mit einem Oldtimer ins Bankenviertel oder durch den Starbucks Drive-In fährt aber nichtmal die Haube aufkriegt, mehr als selten ist.
“Im echten Leben ist man Regeln unterworfen, in meiner Werkstatt bin ich frei.”
Phil Fitschen (36)
Seit Anbeginn der Zeit begeistert sich Phil, der im bürgerlichen Leben als Prozess-Optimierer sein Benzingeld verdient, für Architektur, Design und pure Mechanik ohne Elektronik-Zipp-Zapp. Somit war es vorherbestimmt, dass ein geiler Schlitten ohne Plastikstoßstangen her muss. Dass es ein alter Ford werden würde, war dagegen eher Zufall. Der Bayer hätte auch genauso gut einen Opel oder etwas anderes Altes genommen. Hauptsache beherrschbare Mechanik, cooles Design und keine nervenden Digitalanzeigen im Cockpit, die mit Pieptönen auf fällige Inspektionen oder durchgebrannte Kennzeichenleuchten hinweisen und einen damit allmählich in den Wahnsinn treiben. Vor zwölf Jahren stand Phils Ford beim örtlichen Ami-Schrauber auf dem Hof und gammelte unter einer Plane vor sich hin. Ohne das ganze Ausmaß der Rostschäden auf dem matschigen Gelände absehen zu können, wurde der nicht fahrbereite Taunus von 1972 auf einen Trailer aufgeladen und in Phils perfekt ausgestattete Werkstatt verfrachtet. Die Werkstatt ist sein eigentlicher ganzer Stolz. Aseptisch rein, ausgestattet mit tonnenschwerer Drehbank und auch sonst allem, was ein metallverarbeitender Betrieb bräuchte. Wer einen OP sein eigen nennt, ist schon fast Arzt und somit war die Reinkarnation des Fords nach völliger Zerlegung der rostzerfressenen Karosse dank der perfekten Infrastruktur und Phils Erfahrung keine Totgeburt. Da der Taunus mittlerweile längst durchgeschweißt und mit einem potenten 2.8 Liter V6 versehen wurde, widmet sich Phil gerne Auftragsarbeiten und brät und dengelt bis spät in die Nacht in seiner weit abseits der Stadt gelegenen Werkstatt an Designermöbeln, Art Déco Lampe oder auch mal an einem Custom Schaukelbike.
Zwischenzeitlich kam noch ein gelb-grünes Knudsen Coupé von ’74 dazu, welches die Kochbegeisterten unter unseren Lesern noch aus einer Knorr-Werbung aus den Neunzigern kennen dürften. Doch weil es für Phil immer nur mit Vollgas geradeaus geht und sich selten Dinge bei ihm wiederholen, steht die Suppenschüssel wieder zum Verkauf. Als nächstes widmet sich der sympathische Bayer mit der Fliegerjacke lieber einem 32er Ford Model B Roadster, der als Hot Rod aus rostigen Fragmenten wieder auferstehen wird. Soviel also zum Thema “alte Fords und Disco-Funk”…
Text:Norman Gocke