Georgie Woods ist vielen bekannt für sein Händchen für gute Soulmusik und seinen leidenschaftlichen Einsatz im amerikanischen Civil Rights Movement. Teilweise in Vergessenheit geraten ist, dass der schwarze Dj einer der ersten war, der Rock’n’Roll im Radio spielte und die Musik auch so nannte. Noch bevor ein ehemaliger Lastwagenfahrer diesen Namen für sich beanspruchen sollte, war Woods der “King of Rock’n’Roll” – zumindest in Philadelphia.
Vom Tellerwäscher zum DJ
Georgie Woods Kindheit war alles andere als leicht. In seinem Heimatort Barnett in Georgia war die Gleichberechtigung von Weiß und Schwarz noch längst nicht etabliert und der Ku-Klux-Klan eine wichtige Einflussgröße. Dass Woods Vater ein leidenschaftlicher Priester war, der mit seinen Ansichten über die Rassengleichheit nicht hinter dem Berg hielt, machte die Sache für die 13köpfige Familie nicht leichter. Nachdem der Klan ein Kreuz im Vorgarten der Familie Woods verbrannt hatte, entschloss sich Georgies Mutter, mit ihren Kindern nach Harlem zu gehen. Dort starb sie schon fünf Jahre später (1941). Um seine Geschwister zu ernähren, blieb Woods kaum etwas anderes übrig, als die Schule abzubrechen und zu arbeiten – als Postsortierer, Lastwagenfahrer und Tellerwäscher – bis er schließlich im zweiten Weltkrieg der US Navy beitrat.
Georgie Woods fand in dieser Zeit seine Bestimmung, als er für das Armed Services Radio arbeitete. Fest entschlossen, weiter beim Rundfunk zu bleiben, absolvierte der zukünftige Dj-Star nach seiner Rückkehr einen dreimonatigen Moderationskurs. Seine erste Anstellung bei dem Rundfunksender WWRL in New York dauerte allerdings nicht mehr als drei Monate. Schuld an dem frühen Ende war, dass Woods den Song “One Mint Julep” von den Clovers gespielt hatte, ein Titel, der nach Ansicht seines Vorgesetzen Alkoholkonsum propagierte.
Georgie Woods, “The man with the goods”
Nach diesem wackligen Start nahm die Karriere von Georgie Woods rasant an Fahrt auf. Mit seinem Einstieg bei dem Sender WHAT in Philadelphia wurde er zu einem von vier schwarzen Radio-DJs in der Stadt und bald zu ihrem bekanntesten. Das lag vor allem daran, dass sich Woods, der in den frühen 60ern den Spitznamen “The man with the goods” erhielt, speziell an Teenager wandte und modernen Rhythm’n Blues mit offenen Armen empfing. Bald verwendete er wie Freed den Ausdruck “Rock’n’Roll” für die von ihm gespielte Musik . Damit verknüpfte Woods die Hoffung, dass sich so ein gemischteres Publikum erreichen ließ als mit dem Wort Rhythm’n Blues, das eng mit “schwarzer Musik” verknüpft war – eine Rechnung, die aufging.
Woods zeichnete sich aber nicht nur durch seine Musikwahl aus. Wie Alan Freed schlug der DJ regelmäßig den Takt zu den von ihm gespielten Songs auf einer Cowbell oder klopfte ihn mit dem Telefon mit. Für besonders “heiße Momente” griff Woods zu Klingeln und Pfeifen. Bei jungen Hörern kam diese ungebremste Leidenschaft an.
Live Rock’n’Roll Shows und Record Hops
Wie Alan Freed ging Georgie Woods bald dazu über, zusätzlich zu seinen Radio Shows Konzerte und Record Hops abzuhalten. Eine Grund dafür war sicher, dass die Eintrittsgelder für diese Veranstaltungen das nicht gerade weltbewegende Rundfunk-Honorar des DJs aufbesserten. Gleichzeitig konnte Woods auf diesem Weg seine Popularität bei jungen Menschen und potenziellen Radiohörern steigern. Dabei wurden die kleineren Tanz- und Musikveranstaltungen, die Woods in schwarzen Stadtvierteln organisierte, zu einer Art Nachbarschaftsevents, bei denen junge Menschen für 25 oder 50 Centsman gemeinsam mit anderen Teenagern den aufregenden Sound genießen konnte, der bald die Welt erobern sollte. Bei der Auswahl der Orte war Woods nicht zimperlich – sie reichten vom Auditorium über Sporthallen bis hin zum Schulhof. Überall dorthin, wo genug Platz war, brachte Woods den Rock’n’Roll.
Spektakulärer waren die Großevents, die der Rock’n’Roll Dj organisierte. Schon das erste Konzert unter der Ägide von Woods war ausverkauft und das sollte sich für die Folgeveranstaltungen nicht ändern. Mit seinem Mix aus Big Bands, Sängern und Gesangsgruppen traf Woods den Nerv der Zeit, was sich in Tausenden von kreischenden und tanzenden Teenagern zeigte. Durch die ständig wachsende Popularität des DJs und der Chance, in Philadelphia auch noch gleich bei Dick Clarkes WAmerican Bandstand” aufzutreten, wurde auch das Line up der Events immer hochkarätiger. Ob Chuck Berry oder Sam Cooke, die Headliner von Georgie Woods oft tagelangen Konzertveranstaltungen konnten sich sehen – und hören lassen.
Dabei bewies Woods ein ums andere Mal, dass er musikalisch ein gutes Gespür hatte – auch dann, als er als einer der ersten in Amerika die “Beatles” spielte. Zu denjenigen, die dieses gute Gespür nutzen, gehörte Dick Clarke, Moderator der bald landesweit bekanntesten Fernsehsendung im TV. Der konnte laut Aussagen von Zeitgenossen am Anfang seiner Karriere “Chuck Berry nicht von einer Heidelbeere (Huckleberry)” unterscheiden. Bis sich das änderte und Clarke selbst Bescheid über die Musik wusste, die er seinen Zuschauern vorstellte, richtete er sich bei der Auswahl von Platten nach dem guten Rat von Georgie Woods,
Mit heißer Musik gegen Jugendkriminalität
Die Kulturkämpfe um Rock’n’Roll waren in der zweiten Hälfte der 50er Jahre in vollem Gang. Angeprangert als Musik, die unmoralisches und kriminelles Verhalten fördere, geriet der Sound vor allem unter Beschuss durch weiße Bildungsbürger und Ku-Klux-Klan Anhänger, die ihre Kritik mit einer gehörigen Portion Rassismus unterfütterten. Woods, der mittlerweile bei dem Sender WDAS arbeitete, tat alles, um diese Vorwürfe auszuhebeln.
Im Gegensatz zu den Kritikern von Rock’n’Roll vertrat der DJ die Meinung, Musikveranstaltungen wie die von ihm initiierten Rock’n’Roll-Events würden Teenagern helfen, Emotionen auf friedliche Art abzureagieren. Diese Meinung machte Woods auch in seiner Kolumne in der Philadelphia Tribune deutlich. Hier trat er außerdem für eine stärkere Beteiligung von Schwarzen im Medienbusiness ein, ein erster Schritt hin zu dem Engagement für das Civil Rights Movement, das Woods öffentliches Leben in den 60er Jahren prägte. Dann war es nicht mehr Rock’n’Roll, den der mittlerweile schon legendäre DJ im Radio und bald auch im Fernsehen präsentierte, sondern Soul. Und auch hier blieb der “Man with the goods” vorne mit dabei.
Titelbild von Ines Hegedus-Garcia unter cc