Radiogeschichte(n): WDIA – Die Wurzeln des Rock’n’Roll

"old radio", © malik

WDIA übte einen großen Einfluss auf den King of Rock’n’Roll aus, so sagt man. Verwunderlich ist das nicht. Denn der kleine Radiosender auf der Union Avenue in Memphis setzte bald nach seiner Gründung ganz auf Rhythm’ Blues, eine der Hauptzutaten, mit denen Elvis und Co. später ihr eigenes musikalisches Gebräu anrührten. Als Sender, der sich speziell an ein schwarzes Publikum richtete, war WDIA neben Konkurrenten wie KWEM lange eine Macht in Memphis und weit darüber hinaus.

Vom Mainstreamsender zum Radiopionier in einem Jahr – der turbulente Start von WDIA

Nach einem Jahr “on air” sah es nicht gut aus für WDIA. Schuld daran war vor allem, dass der 1947 eröffnete Sender dasselbe machte wie die Konkurrenz in Memphis. Das Publikum hatte aber allen Anscheins nach bereits genügend Radiosender zur Auswahl, die eine Mischung aus Country und zeitgenössischer Popmusik über den Äther verbreiteten. In dieser Situation zeigten sich die beiden Eigentümer von WDIA, Bert Ferguson und John Pepper, experimentierfreudig. Sie verpflichteten den schwarzen Lehrer und Kolumnisten Nat D. Williams für eine Show, mit der sie sich auf neues Terrain wagten.

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Die Union Avenue in Memphis / wikimedia.org

Denn nicht nur war Nat D. Williams einer von einer Handvoll schwarzer DJs in den USA. Seine Sendung “Tan Town Jamboree” richtete sich auch bewusst an ein schwarzes Publikum. Musikalisch bedeutete das eine spektakuläre Abkehr von Geigen und Westernschnulzen hin zum Rhythm’n Blues. Zu denjenigen, die diese Trendwende begeisterte, gehörte angeblich auch der damals 13jährige Elvis Presley.

Erstes All-Black-Radio in den Staaten

Die eigentlich als Verzweiflungstat durchgeführte Verpflichtung von Nat D. Williams erwies sich als Anfang einer beeindruckenden Erfolgsgeschichte. Schließlich gab es in Memphis wie im Rest des Landes unzählige schwarze Radiohörer, die bis dahin vom Rundfunk komplett vernachlässigt worden waren. WDIA füllte diese Lücke mit Rhythm’n Blues, frühem Rock’n’Roll und Themenbeiträgen, die sich gezielt an ein schwarzes Publikum richteten. Im Frühjahr 1949 war der Sender die Nr. 2 in Memphis und schon bald nachdem Ferguson und Pepper ihn ganz auf ein reines schwarzes Publikum eingestellt hatten, setzte er sich an die Spitze – und blieb dort auch die nächsten Jahre über weitgehend unangefochten.

Dabei war das Sendegebiet von WDIA nicht auf Memphis und Umgebung begrenzt. Dank seines 50.000 Watt-Senders/Signals konnte der Sender 10 Prozent der gesamten schwarzen Bevölkerung in Amerika erreichen – bis tief hinein ins Mississipi Delta. Nachts verzeichnete er zeitweise etwa ein Million Hörer. Das war ein schlagendes Argument für Werbekunden, die diesen Teil der Bevölkerung erreichen wollten. Wiesen Pepper und Ferguson potenzielle Anzeigekunden anfangs noch daraufhin, dass die “Gefahr” bestand, dass ihre Spots von schwarzen Hörern empfangen wurden, war das Anfang der 50 Jahre bereits ein Erfolgsfaktor.

Von B.B. King bis Maurice “Hot Rod” Hulbert

WDIA besetzte eine wichtige Rolle in der Karriere manches bekannten Musikers. Dazu gehörte Bluesbarde B.B. King alias Riley King, der 1949 nach Memphis trampte und das Personal von WDIA mit zwei Songs restlos überzeugte. Er machte zunächst Werbung für das sagenhafte Allheilmittel Pepticon, von dem böse Zungen behaupten, es sei vor allem deshalb so erfolgreich gewesen, weil es 12 Prozent Alkohol aufwies. Außerdem nahm er – wie Johnne Ace, der Rhythm ‘n Blues Sänger, der seinem Leben beim Russischen Roulette ein Ende setzte – seine erste Single in den Räumen des Senders auf. Später übernahm B.B. King als DJ eine Sendung, die zuvor Maurice “Hot Rod” Hulbert alias “Commander Hot Rod” moderiert hatte, diversen Meinungen nach einer der ersten “Rapper” der Geschichte.

Carla Thomas / wikimedia.com

Carla Thomas / wikimedia.com

Als DJ bei WDIA arbeiteten auch Rufus Thomas (“Do the funky Chicken”) und die Diva Willa Monroe, die eine Sendung mit Haushaltstipps anbot. Im sendereigenen Chor sangen außerdem Carla Thomas und Isaac Hayes. Auch Elvis Presley blieb WDIA verbunden. Er besuchte den Sender im Dezember 1956 bei dessen jährlicher Wohlfahrtsveranstaltung “WDIA Goodwill Revue”, eigentlich einer Veranstaltung nur für Schwarze, und setzte damit ein Zeichen, das von den Anwesenden begeistert aufgenommen wurde. WDIA ist nach einigen Besitzerwechseln heute noch aktiv und auch im Internet zu empfangen. Allerdings gibt Soul klar den Ton an im Programm des Senders.

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild “old radio” von malik unter cc