Rockabilly und Karriere

Rockabilly und Karriere

Rockabilly und Karriere: Kleider machen Leute, oder was?

Ist eine berufliche Karriere in bestimmten Branchen mit dem Rockabilly-Lifestyle vereinbar? Diese Frage stelle ich mir, nachdem ich kürzlich in einem Online-Magazin einen Artikel gelesen hatte, in dem folgende These aufgestellt wird: Kompetent im Berufsleben wirkt nur derjenige, der im Anzug oder Businesskostüm erscheint. Egal sei dabei, ob sich hinter dem businesstauglichen Outfit echte Kompetenz befindet.
Belegt wurde das Ganze übrigens mit einem Experiment aus der Sozialpsychologie. Während des Dr.-Fox-Experiments (auch erklärt bei Wikipedia) überzeugte ein Schauspieler aufgrund seines Auftritts im feinen Zwirn ein Fachpublikum von seiner (nicht vorhandenen) Kompetenz in angewandter Mathematik.
Im Umkehrschluss würde dies, provokant formuliert, bedeuten: Egal, wie fähig oder kompetent jemand ist, ohne entsprechendes businesskonformes Outfit hätte er oder sie Null Chance darauf, jemals im Berufsleben Karriere zu machen.

Rockabilly als Lifestyle

Aber ist das tatsächlich so? Wie wirkt sich ein Lifestyle jenseits des Mainstreams aus? Klar ist, Anhänger von Subkulturen hatten es schon immer schwer. Vielfach waren sie Vorurteilen und manchmal sogar Anfeindungen ausgesetzt. Das zeigt auch die Geschichte der Jeans: In den 1950er Jahren als Protestkleidung Jugendlicher verpönt, hat sie heutzutage sogar Einzug in die konventionellen Büros gehalten, zumindest am Casual Friday. Den Rest der Woche verbringt man hier nach wie vor im klassischen Outfit.
Auffällige Styles, wie in der Rockabilly-Szene üblich, passen augenscheinlich nicht in solche vorgegebenen Konventionen. Für die Meisten gehört hier das Äußere zum Lifestyle und ist keine Modeerscheinung. Es gilt: Lieber echt und authentisch statt verkleidet. In vielen Berufen ist das heute kein Problem mehr. Denn die Gesellschaft ist toleranter geworden. (Gerade hat eine Frau mit Bart den Eurovision Song Contest gewonnen.)
Aber es gibt immer noch einige Bereiche, in denen ein „seriöser“ Kleidungsstil vorgeschrieben wird. Ist eine Tätigkeit in so einem Bereich möglich? Sollten Rockabillys sich ihrer Karriere zuliebe im Berufsleben outfittechnisch anpassen? Wenn ja, ist das mit dem eigenen Lebensgefühl vereinbar oder wäre das dann nicht auch eine Verkleidung?

Mittelweg als Lösung?

Der Mittelweg als Lösung aus diesem Dilemma mag ja vielleicht noch für die Damenwelt funktionieren: Bluse und Pencil Skirt gehen schließlich auch in der Bank oder im Büro. Und ehrlich gesagt kann ich mir nichts Schöneres vorstellen. Was aber tragen die Männer? Und was ist, wenn Tattoos vorhanden sind? (In der Regel gibt es so einige.) Die lassen sich nicht so einfach verdecken.
Letztendlich ist es eine reine Ansichtssache. Entweder man passt sich an, so gut es geht oder man lehnt diese Anpassung ab. Und sucht sich nach dem Motto: „But I’m what I am and I’m gonna keep a rockin’ that way” (Matchbox, Rockabilly Rebel), einen Job im richtigen Umfeld. Da spricht mir Graham Fenton absolut aus der Seele: „Be a real cool cat, be a rockabilly rebel like me”.
Jetzt seid ihr dran: Geht Rockabilly auch im Beruf? Was tragt ihr auf Arbeit? Wie ist eure Meinung zu diesem Thema?

3 Comments

  • Nico sagt:

    Servus zusammen,
    da kann ich mich Dan nur anschließen. Kompetenz statt Blendung!

    Ich selbst komme aus der Handwerklichen Schiene (Gelernter Elektriker + verkürzte Ausbildung zum Blechklopfer) In dieser Branche ist der normale Kunde natürlich inzwischen mehr gewohnt, als von einem typischen Bänker. Allerdings bin ich nicht auf der Baustelle oder im Kundendienst tätig, sondern ich betreue 6 staatliche Museen im Fachbereich Sicherheitstechnik. In diesem staatlichen Konstrukt bin ich der einzige bunte Vogel (wie ich liebevoll getauft wurde). Anfangs hatte ich natürlich gegen Vorurteile zu kämpfen, hervorgerufen durch die Kleidung, Tolle, Piercing, Tunnels und Tattoos, doch inzwischen hat sich das alles gelegt. Wer seine Arbeit ernst nimmt, und immer sein bestmögliche gibt sollte solche Vorurteile schnell aus dem Weg räumen können. Fachkompetenz, lösungsorientiertes Denken und ein freundlicher Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten lassen sich eben nicht durch einen Anzug ersetzen.

    So far ihr Hübschen Rock’n’Roll!!!!

  • Steve sagt:

    Hey ho,
    wie Dan schon schrieb ist es nur der eine Punkt ob man von seinen Kompetenzen ablenkt oder nicht.
    Allerdings greift es in einigen Berufen mehr wie in anderen. Z.B. bin ich stellvertretender Lagermeister, habe seltenst Kundenkontakt und im Berufsalltag nur mit LKW Fahrern und eigenem Personal zu tun. Bei mir stört sich niemand an meinem Aussehen, im Gegenteil wirke ich (wie ich neulich erst aus der Führungebene gesagt bekam) trotz Tätowierungen, Plugs und ständig wechselndem Bartschnitt gepflegter wie manch anderer.
    Anders sieht es wiederum in Berufen mit Kundenkontakt aus. Sicher wäre mir persönlich ein Steuerberater in Jeans, legerem Hemd und Boots lieber und würde auf mich vertrauensvoller wirken, aber gerade beim Wort Steuerberater denken viele sofort an Anzug und Krawatte. Ein Bekannter von mir übt zufällig genau diesen Beruf aus und meinte zu mir einmal: Mann muss einfach unterscheiden können zwischen Arbeitsklamotte und Freizeit, ein Chirurg kann nunmal auch nicht in Jeans und Muscleshirt operieren.

    Lange rede kurzer Sinn: Arbeitskleidung ist in vielen Berufen einfach Pflicht. Sei es der Helm auf dem Bau, die Stahlkappenschuhe im Lager, Die Maske als Lackierer oder der Anzug im Büro.

  • Dan sagt:

    Hey,

    eigentlich ist es doch nur der eine Punkt: lenke ich mit meinem Outfit von meinen fachlichen Unzulänglichkeiten ab oder bin ich fachlich so gut, dass es niemanden interessiert wie ich mich kleide und käme.

    Mit Tolle, Mutton Chops und großzügig tätowierten Armen kann man auch Führungskraft bei einem großen deutschen Telekommunikationsunternehmen sein. Ich zum Beispiel. Sicher erntet man weiterhin Blicke und im verborgenen auch negative Kommentare, aber wenn man zu sich steht, steht man da halt drüber. Und man überzeugt mit Leistung. Manchmal ein bisschen mehr als der durchschnittliche Angestellte, aber sowas muss einfach kalkuliert werden.

    Anpassen muss ja nicht gleich zu Verbiegen werden.

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