Oberhausen im Sommer 2012
3 Uhr in der Nacht. Das Telefon reißt Danny Wild aus der Motivbettwäsche. Am anderen Ende der Leitung, 9.000 Kilometer und neun Zeitzonen entfernt, ist Dannys amerikanischer Autoscout, der sich aus einem Wüstenkaff in Nevada mit den Worten “Kauf dieses Auto!”, meldet. Danny braucht erstmal ein paar Sekunden um zu sich zu kommen und zu realisieren, dass es sich nicht um den Enkeltrick oder billiges Telefonmarketing handelt. Vor einigen Tagen erteilte der Oberhausener, der mittlerweile in Essen-Steele lebt, dem amerikanischen Automechaniker den Auftrag, in seinem Namen 600 Meilen durch die Wüste zu brettern, um nördlich der Nevada Test Site einen 1961er Cadillac Sedan de Ville für ihn abzuchecken. Wüstentypisch war die Karosse des Luxusdampfers in einem perfekten, rostfreien Zustand und der 6,4 Liter große V8 lief einwandfrei, so dass der gelernte Tontechniker noch halb verpennt in tiefster Nacht einem quasi Unbekannten das Kommando gab, auf einem anderen Kontinent ein Auto für ihn zu kaufen, welches Danny nur von ein paar pixeligen Annoncen-Fotos kannte.
Pokern für Große. Mit dem Unterschied, dass man im besten Fall nicht mit 300 Euro nach Hause geht, sondern dass einem 300 PS nach Hause geliefert werden.
Think Big
Kleingeister warten auf den Zalando-Paketboten, der 28-Jährige wartete acht Wochen auf ein Containerschiff, welches sein neu erworbenes Dickschiff im Rotterdamer Hafen an Land brachte. Die über zwei Tonnen schwere Landyacht überstand den Seetransport ohne einen einzigen Kratzer und nach dem üblichen Papierkrieg mit kleinkarierten deutschen Behörden, nahm der blaue Caddy das erste Mal in 51 Jahren europäischen Asphalt unter die Weißwandräder.
Amischlitten fand Danny Wild immer schon gut und am liebsten hätte es ein 1959er Cadillac, der mit den höchsten Heckflossen der Automobilgeschichte, sein dürfen. Doch die 59er werden aufgrund ihrer enormen Popularität und weil sie die extremste Daseinsform eines Cadillac darstellen, viel zu überteuert gehandelt, auch wenn es sich in den meisten Fällen um spachtelgeschminkte Leichen, mit Rostfraß, verzogenem Chassis und nur noch keuchender Maschine handelt. Zu seinem 61er Sedan de Ville Six Window kam Danny eher unverhofft. Eigentlich war der nette Rockabilly mit seiner Harley-Davidson ganz zufrieden, als sein Vater ihm in Bierlaune vorschlug, die üblichen Gräben, die sich zwischen Vater und rebellierendem Sohn während der Irrungen des Heranwachsens auftun, zuzuschütten, indem man sich gemeinsam einen alten Ami als Familienprojekt zulegt. Ein paar Wochen später rief dann ein Ami aus der Wüste an, aber das wisst ihr ja schon…
Die Aufgabenverteilung ist klar geregelt. Vater genießt entspannte Ausfahrten mit der 325 PS Sänfte, Danny kümmert sich um die Wartung und holt das Flossenmonster für Ausfahrten mit seinem von ihm gegründeten Oldtimerclub, den Headless Dukes, aus der Halle.
Unser aufrichtiges Mitleid gilt an dieser Stelle allen Söhnen, deren Väter den neuen VW Touran für das Nonplusultra in Sachen Mobilität halten.
Text: Norman Gocke
Fotos: Paul Walther | bildwerkeins.de
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