Sie sind ein Mythos der Rock’n’Roll- und Rockabillyszene: die Teddyboys. Doch wer waren sie eigentlich, diese jugendlichen Tollenträger, die von Zeitgenossen in den 50er-jahren als “folk devils” gefürchtet waren? Und was hat es mit dem Edwardian Style auf sich, der heute wieder von Modezeitschriften zitiert wird?
Teddyboys – eine englische Subkultur
Für den englischen Jazzsänger und Autor George Melly stand fest: “Rock’n’Roll didn’t create its public. Like a theatre audience, they were already waiting for the curtain to go up and, like a rather old-fashioned theatre audience, they were formally dressed.”
Gemeint sind damit die Teddyboys. Auch wenn diese englische Subkultur in der allgemeinen Vorstellung fest mit Rock’n’Roll verbunden ist, entstand sie schon einige Jahre, bevor die Musik von Bill Haley und Elvis Presley ihren Weg auf die Insel fand. Ihr Ursprung war London, wahrscheinlich Soho, doch hier gehen die Meinungen auseinander. Fest steht, dass sich der Teddyboy-Style bald über die ganze Hauptstadt und darüber hinaus verbreitete – sehr zum Leidwesen vieler Zeitgenossen. Denn Teddyboys galten als Hooligans, gewaltbereite Jugendliche, die in Gangs durch die Straßen streiften, auf der Suche nach Ärger. Tatsächlich traf das nicht auf jeden Teddyboy zu, doch auf viele. Wer abends auf dem Nachhauseweg vom Pub größeren Ansammlungen der Jugendlichen begegnete, tat gut daran die Straßenseite zu wechseln.
Rebellen in nobler Schale – der Edwardian Style
Das Auffällige an Teddyboys war vor allem ihr Äußeres. Die Jugendlichen, die der Arbeiterschicht entstammten, traten in einer Mischung aus amerikanischer Westernmode und dem sogenannten Edwardian Style auf. Letzterer war in den späten 40er-Jahren in Anlehnung an die Mode zur Zeit von König Eduard VII entstanden. Er war auch für den Namen “Teddyboys” verantwortlich (Teddy als Kosename für Eduard).
Eigentlich hatten die Designer dieses Modetrends die männliche Oberschicht als Abnehmer im Blick gehabt, doch sobald sich die ersten Jugendgangs in den langen Sakkos und charakteristischen Röhrenhosen auf der Straße zeigten, war dieser Plan gestorben. Nun wollte kein Spross der Oberschicht mehr im Edwardian Style auf die Straße gehen. Die Teddyboys hatten sich den Modetrend unter den Nagel gerissen und sie gaben ihn nicht wieder her.
Der Teddyboystyle wurde im Handumdrehen zu einem Markenzeichen vieler Jugendlicher: Wichtige Zutaten waren neben den bereits erwähnten Sakkos und Röhrenhosen Schuhe mit besonders hohen Kreppsohlen, Anzugwesten, lange Schlüsselketten und schmale Krawatten oder Bolo-Ties, die durch amerikanische Western bekannt waren. Dazu kamen verwegene Haarschnitte.
Auch die Teddygirls traten keineswegs mit Schleife im Haar und Petticoat auf, sondern trugen ebenfalls Tolle und Röhrenhose. Diese Ausstattung war genauso provokativ wie teuer, doch die Teddyboys waren in dieser Hinsicht wie die Mods etwas später – Style war alles, dafür wurde auch das ganze Gehalt gespendet.
Wie die Teddyboys zum Rock’n’Roll kamen
Als der Rock’n’Roll in England Fuß fasste, bekam der Teddyboystyle seinen Soundtrack. Schließlich war dieser neue Sound genauso rebellisch, wie die Jugendlichen sich selbst sahen, und etwas ganz anderes als der Dixielandjazz, der bei Oberschichtjugendlichen in England populär war.
Bei Kinofilmen wie “Blackboard Jungle”, der Bill Haleys “Rock around the Clock” präsentierte, tanzten Teddyboys in den Kinosälen. Auf Ermahnungen reagierten sie, indem sie die Einrichtung verwüsteten. Die Medien wiederum reagierten auf diese Ausbrüche wie es die Boulevardpresse heute täte – indem sie die jugendlichen Rock’n’Roll-Fans zu einer kriminellen Bewegung hochstilisierten, die das Land zu übernehmen drohte.
Teddyboyrevivals seit den 50er-Jahren
Mit den ausklingenden 50er-Jahren wurden die Teddyboys von anderen Subkulturen abgelöst. Jetzt waren es hauptsächlich die Rocker, die als motorradfahrende Rock’n’Roll-Fans für Aufregung sorgten. Anders als die ursprünglichen Teddyboys gaben sich die Rocker in ihrer Mode weniger extravagant und bevorzugten Lederjacken statt Jackets. Außerdem war der fahrbare Untersatz eines ihrer wichtigsten Accessoires. Teddyboys hatten sich, abgesehen von dem einen oder anderen geklauten Auto, zu Fuß bewegt.
Ein Revival erfuhr der Teddyboystyle Ende der 60er- und dann verstärkt in den 70er-Jahren. Die neue Generation der Teds, die sich wieder in Röhrenhosen zwängte, aber ihre Tollen jetzt mit Haarspray fixierte, erkoren Rockabilly zu ihrem Soundtrack – Carl Perkins, Wanda Jackson und Johnny Burnette, so hießen die Stars der neuen Teddyboys, sowie in den 80ern natürlich die Stray Cats.
Auch die Teddyboys der 70er-Jahre sorgten mit Handgreiflichkeiten für Schlagzeilen. Diesmal waren es Straßenschlachten zwischen Punks und Teds, die die Zeitungsseiten zierten – auch in Deutschland. So klagte der Spiegel 1979 über nahezu täglich stattfindende Schlägereien in Hamburg zwischen Anhängern der beiden Gruppen.
Ein erfreulicherer Anlass für Publicity war der “March to the BBC” am 15. Mai 1976. Tausende Teddy Boys und Girls marschierten an diesem Tag zu den Studios des Senders in London, um mehr Rock’n’Roll im Radio zu fordern – und wurden tatsächlich mit einer wöchentlichen Rock’n’Roll-Sendung belohnt.
Die Teds heute
Auch wenn es heute auch noch Teddyboys gibt, die sich auf die Ursprünge und den Edwardian Style besinnen, nehmen es die meisten nicht mehr ganz so genau, was die Mode betrifft. Insignien der englischen Subkultur wie lange Schlüsselketten und Bolo Ties gehen bei vielen Rockabillyfans Hand in Hand mit Jeans und Streifenshirt. Auch der Hang zur Gewalt ist glücklicherweise kein Markenzeichen moderner Teddyboys mehr. Geblieben ist dagegen die Liebe zu Rock’n’Roll und Rockabilly, ganz ohne Krawall.
Text: Johannes Jooß