Tattoos sind eine eigene Sprache. Wer sich für Symbole wie Anker, Eight Ball oder Schwalbe entscheidet, tut dies oft nicht nur, weil ihm das Motiv so gut gefällt, sondern auch, weil er seiner Umwelt etwas über sich mitteilen möchte. Eingeweihte wissen auf diese Art schneller, mit wem sie es zu tun haben, auch wenn Sein und Schein hier besonders eng beeinander liegen. Zu den Tattoos, die nicht leicht zu entschlüsseln sind, gehört “The Rose Of No Man’s Land”. Wer sich für die ursprüngliche Bedeutung dieses Motivs interessiert, muss etwa ein Jahrhundert zurück in der Zeit.
The Golden Age of Tattooing
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Tätowierkunst in Amerika ein einträgliches Handwerk. Ausgeübt wurde es an den Rändern der Gesellschaft, in kleinen Tattoo Shops, die sich in abgelegenen Gassen neben Barbershops oder in Zirkuszelten versteckten. Ihre Kunden waren rauhe Gesellen: Arbeiter, Schausteller, Soldaten, vor allem aber Seeleute. Wer zur See fuhr, ließ sich oft in regelmäßigen Abständen und an den verschiedensten Orten der Welt tätowieren, bis sein Körper einem bebilderten Tagebuch glich, voll mit Hula Girls, Ankern und Delfinen. Dann war er nicht nur lange zur See gefahren, sondern hatte auch viel Blut beim Tätowieren vergossen. Mit der Nadel gingen auch die Künstler ihres Fachs damals nicht zimperlich um. An Sterilisation verschwendeten sie ohnehin keinen Gedanken.
Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg wurden Tattoos in den USA zum Ausdruck für Patriotismus und die Bereitschaft, für das eigene Land in den Krieg zu ziehen. “The Golden Age of Tattooing” war auch die Hochzeit patriotischer Tattoos, amerikanischer Flaggen, Adler und entsprechender Schriftzüge. Besonders beliebt unter Soldaten war die “Rose Of No Man’s Land”, eine junge Frau mit Krankenschwesternhaube und Rosen im Hintergrund.
Krankenschwestern im Ersten Weltkrieg
Die Krankenschwestern, die im Ersten Weltkrieg für das Rote Kreuz arbeiteten, taten dies oft unter Einsatz ihres Lebens. Sie hinterließen bei vielen Soldaten, die sie versorgten, einen nachhaltigen Eindruck. Schließlich waren sie in der Regel die einzigen weiblichen Wesen an der Front und noch dazu diejenigen, die Verwundete tagtäglich sahen, bevor sie das Lazarett im besten Fall aufrecht wieder verlassen konnten. Der 1918 veröffentlichte Song “The Rose Of No Man’s Land” von Jack Caddigan und James Alexander Brennan setzte den fürsorglichen Frauen in Schwesterntracht ein musikalisches Denkmal.
Auch das besonders bei Soldaten beliebte Tattoo mit demselben Namen war ursprünglich vor allem eine Erinnerung an die Fürsorge, die der Träger von einer Krankenschwester an der Front erfahren hatte. Schnell wurde es darüber hinaus zu einem Ausweis patriotischer Gesinnung, das sich auch Männer stechen ließen, die nie ein Lazarett von innen gesehen hatten.
The Rose of No Man’s Land und Pretty Floyd Boyd
Nicht nur gesetzestreue Patrioten verzierten ihren Körper mit der Rose Of No Man’s Land. Auch einer der berüchtigsten Gangster in der amerikanischen Geschichte ließ sich das beliebte Tattoo stechen.
Pretty Floyd Boyd landete das erste Mal 1925 für einen Lohnraub im Gefängnis und schwor anschließend, nie wieder das Innere eines Gefängnisses zu sehen. Kaum hatte er diesen Schwur getan, nahm seine kriminelle Karriere richtig Fahrt auf. Nach John Dillingers Tod stieg der Bankräuber, der wie sein Berufskollege “Baby Face Nelson” seinen Spitznamen tief verabscheute, sogar zum Public Enemy No. 1 auf.
Bei Teilen der einfachen Bevölkerung genoss Pretty Floyd Boyd trotz seiner Verbrechen einen positiven Ruf. Das lag vor allem an einer speziellen Angewohnheit des “Robin Hood of the Cookson Hills”. Dieser vernichtete bei seinen Banküberfällen nämlich gleich noch sämtliche Hyothekenpapiere, die ihm in die Finger kamen. Auf diese Art befreite er so manchen dankbaren Schuldner von seinen Verpflichtungen. Am 22. Oktober 1934 wurde Floyd nach tagelanger Flucht erschossen, die Berichte über die genauen Umstände gehen auseinander.
Warum sich Floyd ausgerechnet für die Rose of No Man’s Land entschieden hatte, als er dem Tattoo Shop von Bert Grimm in Saint Louis, Missouri einen Besuch abstattete, ist unklar. Grimms Schwager, der zu dieser Zeit der Polizeichef von St. Louis war, war jedenfalls nicht besonders erfreut, als er von dieser Geschäftsbeziehung erfuhr.
Rosen-Tattoos und die Frauen
Heute ist die Rose of No Man’s Land ein beliebtes Oldschool-Tattoo, dessen ursprüngliche Bedeutung aber kaum noch eine Rolle spielt. In den meisten Fällen ist sein Träger jedenfalls nicht für Uncle Sam in den Krieg gezogen. Auch eine wie auch immer geartete Beziehung zu einer Krankenschwester wird nicht mehr als Voraussetzung gesehen.
Allerdings sind Rosen-Tattoos auf Männerkörpern nach wie vor häufig mit speziellen Frauen verknüpft. Theoretisch kann es sich dabei auch um die eigene Mutter oder Schwester handeln, meistens ist aber eine andere Person gemeint. Dornen symbolisieren den Schmerz, der im echten Leben unweigerlich mit der Liebe verknüpft ist. Wer eine Geliebte hat oder hatte, die beim Roten Kreuz arbeitet, entscheidet sich vielleicht sogar zusätzlich für eine Krankenschwester.
Sehr interessant etwas über diese Oldschool Tattoo zu lesen. Die Rosen sieht man heute noch oft bei der älteren Generation auf den Armen oder Schultern. Immer interessant zu erfahren, was da für eine Geschichte dahinter steckt:)