„We can do it!“
Mit geballter Faust krempelt die junge Frau den Ärmel ihres blauen Workshirts hoch, die Haare zusammengebunden unter einem rot-weiß gepunkteten Kopftuch, ein entschlossener Blick, der den Worten „We can do it!“ das nötige Gewicht gibt. Noch siebzig Jahre später ziert dieses Motiv tausendfach Poster, Kaffeetassen, Mousepads und T-Shirts, aber wer genau ist diese Frau, die unter dem Namen „Rosie the Riveter“ zu einer Ikone der Popkultur und einem Symbol der Emanzipation geworden ist?
Die Geschichte von Rosie the Riveter
beginnt mit dem vollständigen Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg Ende 1941, der die amerikanische Wirtschaft, insbesondere die Rüstungs-industrie, vor ein riesiges Problem stellt. Mit den überwiegenden Teilen der männlichen Arbeits-kräfte in Uniform und an der Front, ist bald niemand mehr da, um in den heimischen Fabriken neue Waffen und Munition zu produzieren. Jeder zusätzliche Soldat ist gleichzeitig ein Arbeiter weniger, und so wird „War Effort“, Kriegs-anstrengung, zum neuen Schlagwort, unter dem die US Regierung Werbekampagnen ausrichten und Propagandafilme produzieren lässt, um amerikanische Frauen vom Herd in die Fabriken zu kriegen. 1943 zeigt der vom War Activities Committee produzierte Kurzfilm „Manpower“ erstmalig, dass nicht nur erfolglose Geschäftsleute als Arbeiter in der Rüstungsindustrie zu neuem Wohlstand gelangen können, sondern auch die Hausfrauen der Nation in aller Regel bereits alle wichtigen Voraussetzungen mitbringen, um die kriegswichtigen Aufgaben in der Produktion von Waffen, Munition und Uniformen zu über-nehmen. Im selben Jahr ziert Norman Rockwells „Rosie“ das Titelblatt der überaus populären Wochenzeitschrift Saturday Evening Post, die Zeichnung einer rothaarigen Frau mit hochgebundenem Haar und Schutzbrille auf der Stirn, kräftigen Oberarmen und einem pressluft-betriebenen Niethammer, der auf ihrem in eine robuste Latzhose gekleideten Schoß ruht, bei ihrer Mittagspause. Auf der Tasche der vor einer den Hintergrund vollständig ausfüllenden Stars and Stripes platzierten Frau steht der Name „Rosie“, ihr Fuß ist auf einer Ausgabe von „Mein Kampf“ abgestellt.
Obwohl Rockwells Zeichnung die ursprüngliche Visualisierung von Rosie ist, hat er die Figur nicht erfunden, sondern sich von einem gleichnamigen, im selben Jahr überaus populären Song dazu inspirieren lassen. „Rosie the Riveter“, der zeitgleich von zahlreichen Musikern interpretiert wurde, erzählt in ermunternden Worten, wie die Soldatenbraut mit ihrer Arbeit am Fließband das Leben ihres Geliebten an der Front schützt, wofür sie sich gerne auch mal Hände und Kleidung mit Öl und Schmierfett schmutzig macht.
Overall von Rumble59
Über den Lauf der Zeit hat jedoch ein anderes Motiv Rockwells „Rosie“ aus dem Gedächtnis verdrängt und seinen Platz eingenommen. Das ironischerweise bereits ein Jahr zuvor entstandene „We can do it!“-Motiv ist nur eines aus einer ganzen Reihe von Postern, die der aus Pittsburgh stammende Künstler J. Howard Miller 1942 für die Westinghouse Company entwarf, und die für knapp zwei Wochen in einer der Westinghouse-Fabriken im Mittleren Westen zu sehen waren, bevor sie dort wieder verschwanden. Das Postermotiv, das auf einer Fotografie der Fabrikarbeiterin Geraldine Doyle basierte, war ursprünglich nicht mit dem Namen Rosie verknüpft und wurde erst viele Jahre später mit diesem in Verbindung gebracht, als es wiederentdeckt wurde und seinen Weg in zahlreiche politische Bewegungen und Bürgerrechtskampagnen fand. Ein möglicher Grund für den größeren Bekanntheitsgrad von Millers „We Can Do It!“-Motiv gegenüber Rockwells Original-„Rosie“ liegt sicher in der größeren Universalität seiner Abbildung, in der die Frau nicht an eine bestimmte Nation, einen bestimmten Feind und damit auch eine bestimmte Zeit gebunden ist, sondern ihre von all dem unabhängige Selbstermächtigung das Zentrum bildet und die damit eine Vielzahl von Idealen verkörpern kann.
T-Shirt – “We can do it” von Rumble59
Nach Kriegsende war es dann mit den Errungenschaften der vermeintlichen Gleichberechtigung jedoch bald wieder vorbei und die Regierung war fast genauso schnell mit der Produktion von neuen Filmen, mit deren Hilfe die Frauen des Landes zu ihrem „natürlichen“ Platz bei Heim, Herd und Familie zurückfinden sollten. Weibliche Arbeitskräfte, deren Unverzichtbarkeit kurz zuvor noch außer Frage stand, wurden in Massen entlassen, um Arbeitsplätze für die aus dem Krieg heimgekehrten Männer zu schaffen. Zählte vorher „War Effort“, war nun die Familie und deren Wohlstand zum Motor der Nachkriegs-wirtschaft geworden. Dennoch hat Rosie vielen Frauen gezeigt, dass es auch anders geht und hat damit eine gesellschaftliche Entwicklung in Gang gesetzt, die erst nicht totzukriegen und schließlich nicht mehr aufzuhalten war.
(Text: Peter Vignold)